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B. 2, K. 3, 6—34. Die Geistlichkeit
diger, welche dem von der Obrigkeit ihnen vorgehaltenen und von einem Manne
wie Fabr. d. A. vorgelebten Ideale) durchaus entsprachen. So schildert Fabr.
1641 den Pastor Herbst aus Schwabach folgendermasien:
Dieser hat (in Sehestedt) einen guten anfang in seinem Ambt gemachet, wirt gelibet von
patronis vnd kirchspielleuten wegen seines fleistes, sittsamben stillen eingezogenen lebens vnd
Wandels, der seiner bücher und predigten trewlich wartet und nach seinem vermügen nichts ver⸗
abseumet, das zu wollfarth seiner gemeine gereichen mag: concipiret seine predigten fleißig, thut
dieselben deutlich vnd verstendig vnd disponiret sie methodice, predigt auch an Mitwochen den
Catechismum das gantze Jahr durch, auch in der See-uvnderndte Zeit.
Auch einige andere lobt Fabr. in seinen Berichten, sonderlich wegen ihrer Stu—
dien und ihrer sorgfältigen Predigtvorbereitung.
Aber gerade daß solche, die einigermasiten seinem Predigerideal entsprechen, so
sonderlich hervorgehoben werden, läsit darauf schließen, daß die meisten diesem
Ideal nicht entsprachen. Wenn z. B. bei dem Pastor von Sieseby lobend
hervorgehoben wird, daß er „die Kranken ungesäumt, wann er gefordert wird, visi—
tire, auch mit seinem eigenen Wagen und Pferden, wenn's unvermögende leute
seien““, so geht eben aus diesem Lob hervor, daß viele nicht einmal sofort kamen,
wenn sie diesen Liebesdienst erweisen sollten und es selbstverständlicherweise nicht
taten, wenn ihnen kein Wagen gestellt wurde. Auch ist es doch sehr bedeutsam,
wenn in dem angezogenen Mandatvon 103 6 gesagt wird, dasi dem strengen
Mandat von 16023 „von vielen nicht nachgelebet werde“ und die sämtlichen Pa—
storen, Diaconen, auch Schulmeister und Küster mit Fürstlichem Ernst und ge—
bührendem Eifer, unter Androhung strenger Strafe und Erinnerung an ihren
Amtseid zu der Erfüllung ihrer einfachsten Pflichten ermahnt werden müssen.
Es ist deshalb nicht zu hart geurteilt, wenn wir sagen, das es verhältnis—
mäßig wenige waren, die ihr Amt wirklich so ausrichteten, wie sie sollten,
und insofern A. O. Hoyers durchaus Recht hat, wenn sie S. 47 ihrer Poëmata
klagt, daß der frommen Pastoren „wenig seyn vnd ihr heufflein noch ist sehr klein“.
Man tut der s. h. Geistlichkeit des 17. Jahrhunderts sicher kein Unrecht, wenn
man sagt: mögen die geschilderten „Exorbitanzen und Enormitäten“ auch nur
bei einer Minderzahl, freilich nicht einer verschwindenden, zu finden gewesen sein —
die grosie Mehrzahl tat ihr Amt nicht im Geiste Christi, mit brennendem Eifer
und aufopfernder Liebe, aber doch auch nicht rein als mercenarii, wie man
damals sagte, als Tagelöhner um des Lohnes willen. Den guten Dursch—
sschn itt dürfen wir uns denken als Leute, welche, von der Würde und Bedeutung
ihres Amtes und daher auch ihrer Person überzeugt, ihr Amt schlecht und recht
verwalteten, die bürgerlichen Tugenden der Ehrlichkeit und Redlichkeit prästierten,
für das Wohl ihrer Familie sorgten und die Güter und Freuden dieser Erde
harmlos und dankbar genossen. Das waren keine Pastoren, wie die Vertreter
des „wahren Christentums“ und die Spiritualisten sie wünschten, auch konnte mit
8) Dies Ideal wird in einer Gottorser Verfügung, etwa aus dem Jahre 10360 (St. A. A.
XX, 7600) folgendermasien gezeichnet: Die Prediger sollen „in ihrem leben und conversation ein
Fürbild sein aller christlichen tugenden, Gottes furcht, hertzlicher anruffung, gehorsambs, demut,
bescheidenheit, versühnlichkeit, nüchternheit, keuschheit, warheit vnd was dergleichen edle tugende
mebr sein, ... damit sie niemand ergern, ihr ambt nicht verlestern, andern zu gleichen Sünden
nicht anleitung vnd vorschub geben, besondern, das sie so wol mit leben als auch mit lehren
ihre Zuhörer erbawen vnd zur ewigen seligkeit führen vnd befördern mögen.“ Dies amtliche
Predigerideal war ein etwas anderes als das der Spiritualisten, die statt Gehorsams und
Demut vielmehr profetischen Eifer um Gottes Reich forderten. Aber es war das der Anstalts
kirche angemessene und nicht unerreichbar.