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B. 2, K. 3, 6 34. Die Geistlichkeit
wie es scheint im Elternhause, von einem Ehemann, dem Schwiegersohn des Preetzischen Kloster—
schreibers, „vitiiren“ lassen. Als der Neukirchener Pastor das kurz vor der Gebuͤrt stehende
Mädchen „an einem Mittwochen, an welchem doch kein Abendmahl verrichtet wird, praevia
absolutione publica zum Abendmahl zugelassen hatte, wurde er vom GS stark getadelt,
weil die Tat zu Grube begangen sei und dort durch eine offenbare Buße am Sonntag hätte
zesühnt werden müssen. „Pastor autwortet, er hätte Patrui filiam in ihrem Elend, da sie zu
Grube nicht sein, noch für ihres Vaters augen kommen darf, ex commiseratione et pro-
pinquitate sanguinis nicht repudiiren können.“ — Die schlimmste Uebeltäterin war jedoch
die jüngste Tochter des Superintendenten von Eitzen, Margarethe, welche nicht nur
des Kindesmordes und magischer Künste beschuldigt wurde, sondern schließlich auch nebst ihrem
Gatten, dem herzoglichen Amtsschreiber Wolf Calunt, einen Wildschützen veranlaßte, ihren
Schwiegersohn, den Bürgermeister Claus Esmarch zu Apenrade meuchelmörderisch zu erschießen.
Sie wurde auf die Folter gelegt und nur auf besondere Fürbitte und im Andenken an ihren
würdigen Vater enthauptet, während der Gatte auf's Rad gelegt wurde (1010) 9). — Es wird
gewiß hin und her in den Pastoraten Zantippen gegeben haben. Aber nur eine hat eine be—
sondere Berühmtheit erhalten, die Gattin des Pastors Petrus Feddersen in Tating, über
die der Gatte also geklagt hat: Ich bin in Wasser und Feuers-Noht gewesen; in der Wasser⸗
jsluht 1034 ging mirs so und so; auff Fahretofft muste ich Haus und Hof im Brand verlieren;
aber ach! das Creutz, das mich nun in meinem Alter getroffen, geht über alles, alles! die böse
Frau! (Krafft 407)
Im ganzen ist es doch nicht viel Tadelnswertes, das wir über die Familien—
angehörigen der Pastoren finden. Wir dürfen also annehmen, daß die Pastoren—
frauen des 17. Jahrhunderts der Sitte der Zeit folgend ihren geistlichen Ehe—
herren gehorsame und getreue Gattinnen waren, ihrem oft schweren Hauswesen mit
Fleiß und Sparsamkeit vorstanden und ihre vielfach zahlreichen Kinder wohl er—
zogen. Mehr verlangte die damalige Zeit von ihnen nicht. Die moderne Idee,
daß die „Pastorschen“ ihrem Manne Gehilfinnen des Amtes, ja gar wohl ver—
ständnisinnige Teilhaberinnen seiner geistigen Arbeit sein sollten, eristierte noch
nicht. Noch war das geistliche Amt absolut Männersache, und geistig hervorzu—
treten erlaubte man nur hervorragend begabten Frauen des Fürsten- und des
Adelsstandes. Die stille, fleißige Hausfrau war noch wie im Reformations—
jahrhundert das Frauenideal des guten Bürgerstandes, zu dem sich die Pfarrer
rechneten. Die in den Pfarrhäusern herrschende Frömmigkeit wird im allgemeinen
jene gesetzliche des orthodoxen Zeitalters gewesen sein, welche sich mit einem naiven,
behaglichen Genuß der erreichbaren Güter des Lebens durchaus vertrug. Auch
wirklich innige, aus lebendigem Glauben erwachsene Frömmigkeit mag bei manchen
Pfarrersfrauen wirksam gewesen sein, doch haben wir wenig Zeugnisse davon ).
Was die soziale Herkunft der Pfarrersfrauen berrifft, so
ist hier im Laufe der Zeit ein gewisser Aufstieg zu bemerken. Bei den vielen aus
dem Katholizismus übernommenen Priestern wird in der Regel die bisherige
„Haushälterin“ zur Pfarrfrau erhoben worden sein. Weiterhin hören wir viel
von Heiraten mit „Mägden“ hoher Herrschaften, welche nicht selten die Pforte
zur ersehnten Pfarre eröffneten. Im 17. Jahrhundert aber scheinen die nicht
„standesgemäßen“ Heiraten im allgemeinen aufzuhören. Die Pfarrfrauen kommen
aus dem besseren Bürgerstand, vor allem aber aus den Pfarrhäusern selbst. Durch
das Einheiraten in die Pfarre begünstigt, bildet sich geradezu eine Tradition und
Erbfolge des Pfarrerstandes nicht nur nach der männlichen, sondern auch nach
der weiblichen Seite heraus.
) Moller III, 231 f.
v) Ein einziges ist mir bekannt in dem Bericht Kraffts über das gottselige Leben und erbau—
liche Ende der loso verstorbenen Pastorenwitwe Elisabeth Meier, geb, Jünglings
zu Husum (Krafft S. 150 ff.).