Pfarrfrauen
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Solche Hebung des Pfarrfrauenstandes hat sicherlich viel Gutes mit sich ge—
bracht, vor allem eine Verfeinerung des Tones, der in den Pfarrhäusern herrschte.
Andererseits hat sie wie wohl kaum etwas anderes zur „Verbürger—
hich ung“ des evang. Pfarrers beigetragen, welche seiner Volkstümlichkeit na—
mentlich in den Landgemeinden ohne Frage abträglich gewesen ist. Der ehelose
katholische Geistliche stand allen Ständen des Volkes gleich nahe; die Bauern—
töchter und Mägde, welche in der ersten Zeit nach der Reformation zu Pfarr—
frauen avancierten, waren mit dem Landvolk sozial verbunden und hoben den
Landpfarrer nicht über das Niveau eines studierten Bauern hinaus. Die besser
gebildete und anspruchsvollere Bürgertochter dagegen, welche dann in der Regel
die Pfarrfrau stellt, macht das Pfarrhaus zu einer Stätte gehobener bürgerlicher
Lebenshaltung, welche je länger desto mehr zwischen dem Pfarrer und dem ein⸗
sachen Landvolk eine Schranke aufrichtete.
Was die Pastorensöhne betrifft, so bestätigt sich auch für unser Land
die Beobachtung, daß außerordentlich viele tüchtige Leute aus dem Pfarrhaus her—
vorgegangen sind. Da die Pastoren ihren Söhnen an Geld und Gut in der
Regel nicht viel mitgeben konnten, setzten sie ihre Ehre darin, ihnen eine gute
„Erudition“ mitzugeben, wozu sie als akademisch gebildete Leute ja leichter als die
Angehörigen anderer Stände imstande waren. Nicht nur viele gute Pastoren und
manche Professoren sind aus den Pfarrhäusern unseres Landes hervorgegangen,
sondern auch viele Angehörige des höheren Beamtenstandes. Daß neben dem Lichte
auch der Schatten nicht fehlt und manche verkehrterweise für den „gelehrten
Stand“ erzogene Pastorensöhne in dem wilden Studentenleben der Zeit ver—
bummelt sind, versteht sich am Rande.