4. Kapitel: Der Kirchendienst.
Nachdem wir im 3. Kapitel die Träger der kirchlichen Praxis, die „Kir—
Hhendiener“ oder die Geistlichkeit betrachtet haben, kommen wir nun zur Dar—
stellung des „KKirchendienstes“ oder der von der Geistlichkeit ausgeübten
kirchlichen Praxis selber. Diese vor allen Dingen ist in unserer KO neu geordnet
worden.
Wir würden uns indes sehr irren, wenn wir in unserer wie überhaupt in den
lutherischen KkOO eine systematische Ordnung oder eine begriffliche Zusammen—
fassung dessen, was das geistliche Amt zu verrichten hat, erwarten würden. Die
lutherische Reformation hat sich keine große Mühe gegeben nachzuweisen, warum
überhaupt ein beamteter Klerus in der Kirche nötig sei, und den Inhalt oder die
Aufgabe des geistlichen Amtes neu zu durchdenken und zu fixieren. Die revolutio—
nären Gedanken des jüngeren Luther vom allgemeinen Priestertum aller Gläu—
bigen sind bei der tatsächlichen, von der Obrigkeit geleiteten Durchführung der
Reformation restlos zu Boden gesunken und erst vom Pietismus wieder lebendig
zemacht worden, ohne doch bis heute den klerikalen Charakter der kirchlichen
Praxis innerhalb der lutherischen Kirche wesentlich zu verändern. Im Gegensatz
gegen die revolutionären, sektiererischen Bewegungen, die der Reformation pa—
rallel gehen, wollte die lutherische Reformation die alte Kirchenform erhalten,
soweit sie nicht durch „papistische Mißbräuche““ verderbt und dem neu entdeckten
„Evangélium“ nicht zuwider war. Deshalb ist die in der neuen Kirche geübte und
befohlene Praxis nicht etwas prinzipiell Neues, sondern nur eine modifizierte
Form der altererbten mittelalterlichen Praxis.
Darum brauchen wir ebenso wenig wie unsere KO selber uns besondere Mühe
zu geben, die vielseitige Tätigkeit der lutherischen Geistlichkeit in ein „wissenschaft—
liches“ System zu pressen. Um jedoch für das Folgende dem Leser einen gewissen
Faden an die Hand zu geben, bemerke ich, daß in diesem Kapitel 1. von der kul—
sischen Tätigkeit der Geistlichkeit, 2. von ihren priesterlichen Amtshandlungen,
J. von ihrer katechetischen Tätigkeit, 4H. von Seelsorge und Caritas gehandelt
wird.
Endlich aber haben wir noch einer besonders wichtigen Aufgabe der Kirche zu
zedenken, nämlich der im Verein mit der Staatsgewalt ausgeübten Er zie—
hung des Kirchenvolkes zuchristlicher Frömmigkeit und
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keit ins Auge fassen, d. h. die Stellung des Volkes zur Kirche und ihren Be—
mühungen zu ermitteln versuchen wollen und damit der Stoff ungemein an—
schwillt, halte ich es für richtiger, diesem Gegenstande ein besonderes Kapitel
Kap. 5) zu widmen.