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B. 2, K. 4, 8 35. Der Kultus
klärt sich zu einem Teil die heftige Gegnerschaft, welche die pietistischen Collegia
pietatis fanden. Erst mit dem Aufkommen des Pietismus finden wir auch in
unserm Lande Bet—- und Bibelstunden, welche in Schulen oder sonstigen geeigneten
Häusern gehalten wurden.
3. Der Hauptgottesdienst oder die Messe.
Während für die Nebengottesdienste von der KO keine rituellen oder litur—
gischen Vorschriften gegeben werden, diese also der freien Entwickelung anheim—
gegeben werden, haben sehr verständlicher Weise unsere Väter es für nötig ge—
halten, für den feiertäglichen Hauptgottesdienst eine feste, all—
gemein verbindliche Form vorzuschreiben. Sie findet sich Ko S. 242 29 unter
dem Titel: Wo men eine gemene spublica) Misse holden
schall“). Da die liturgische Form, welche die KO gibt, als Königliches Gebot
kirchengesetzlichen Wert hat, auch bis zum Erlaß der Adlerschen Agende 1797
diesen Wert behalten hat, da sie ferner auch die Grundlage unserer heutigen
Gottesdienstordnung bildet und auch bei etwaigen zukünftigen Veränderungen, stets
den geschichtlichen Ausgangspunkt bilden muß und wird, halte ich es für nötig, sie
—
Es ist bemerkenswert, daß die in unserer KO gegebene Gottesdienstordnung
ebenso wie ihre Vorlage (Ord. lat. S. 15 ff.) nicht von Bugenhagen stammt,
sondern von den Verfassern des „Entwurfes“ (vergl. oben S. 1060). Diese aber
haben sich vor allem an Luthers Ordnungen der Messe von 1523 und 1520 ge—
halten. Wir haben also in den Bestimmungen der KO ursprünglichstes refor—
matorisches Gut “).
Abweichend von anderen evangelischen Ordnungen begann bei uns die Messe
(entsprechend der römischen) mit einem priesterlichen Vorbereitungsakt:
Der Priester, schon mit dem Meßgewand, der weißen Alba und der bunten
Casula angetan, fiel vor dem mit dem gewöhnlichen „Handgeräte“ als Kelchen,
Lichten u. dgl. bereiteten Altar in die Kniee und betete leise das Confiteor als
persönliches Sündenbekenntnis und danach (laut?) ein Gebet für die Prediger des
Evangeliums, für den König und das Reich, auch für „diese Fürstentümer““).
.Nach diesem Vorbereitungsakt beginnt die eigentliche Messe, genauer die
Vormesse, und zwar ebenso wie die römische mit dem vom Priester gelesenen
oder gesungenen Introitus, d. h. dem für jeden Feiertag besonders aus—
gewählten Schriftwort nach dem römischen Missale, doch nur „soweit solches nicht
wider die göttliche Schrift sei“. Der Introitus scheint im Anfang stets in latei—
nischer Sprache gesungen oder gelesen worden zu sein. Deshalb ist es gestattet, auf
den Dörfern statt des Introitus „einen deutschen Psalm“ zu singen “).
2) Die missa publica steht der m. privata gegenüber. Jede Privatmesse wird bei
höchster Strafe verboten.
12) Selbstverständlich hat es in unserm Lande auch schon vor 1542 bzw. 1537 private und
lokale Gottesdienstordnungen gegeben, aber sie sind uns verloren gegangen. Ueber eine der—
artige Ordnung, die vermutlich in Husum entstanden ist, berichtet sehr interessant G. Ficker
in unsern BuM 7, 257ff.
122) Ueber das Nähere vergl. Mich. ausführliche Darstellung S. 151 ff.
29) Dieser Akt erhielt sich in der dänischen Kirche. Bei uns scheint er früh abgekommen zu
sein. Im Pinnebergischen (Meklenburg. KO!) begann der Gottesdienst mit der Antiphonie der
röm. Messe („Unsere Hilfe stehet usw.“), worauf die sog. „offene Schuld“ gesprochen wurde.
25) Rietschel 1, 4285 berichtet fälschlich, daß „dem Introitus des Chors ein deutsches