B. 2, K. 4, 8 35. Der Kultus
Orthodoxie von den GGSS die Anlegung der Meßtleider, so oft Kommuni—
kanten da seien, gefordert worden, aber die Umstände waren stärker als der Wille
der Visitatoren. Die Visitationsberichte (Fabr.) zeigen, daß auf diesem Gebiet
schon früh große Mängel einrissen. Hier war in der Kriegszeit das Meßgewand
weggekommen, dort (in Schönberg) wurde die Casula nicht gebraucht, weil die
Alba fehlte, in Lensahn brauchte der junge Pastor das Meßgewand nicht, weil
er überhaupt noch keinen „Priesterrock“ (Summar) besaß; in Waabs wurde das
Meßgewand (wohl zur Schonung) nur an Festtagen gebraucht. Das Weitere
taten' die Willkür der Geistlichen und der Geiz der Patrone und Gemeinden, die,
wenn die alten Gewänder zerschlissen waren, keine neuen anschaffen wollten. So
ist es gekommen, daß im 18. Jahrhundert die altheilige Meßkleidung in unserm
dande völlig verschwindet, während sie in Dänemark bis auf den heutigen Tag
erhalten geblieben ist.
Das beigegebene Bild, das ich aus Eitzens Postille entnommen habe, ist
charakteristisch, insofern es zeigt, 1. daß, wo zwei Geistliche an einer Kirche standen,
dieselben bei der Kommunion zusammenwirken sollten; 2. daß bei den Kirchen in
der Regel nur e in Meßgewand vorhanden war: dies trug dann der Pastor (sein
langes Untergewand ist als weiß zu denken); der Kaplan erscheint auch beim
Abendmahl im täglichen Priesterrock des Reformationsjahrhunderts, der schwarzen
Schaube.
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5. Die gottesdienstlichen Sprachen.
Die Forderung der Reformation, die Gottesdienste nicht mehr in der dem
Volke unverständlichen lateinischen Sprache, sondern in der Landessprache zu
halten, war in unserm dreisprachigen Lande schwieriger zu erfüllen als in ein—
sprachigen deutschen Ländern. Ja, in den nationalen Kämpfen des 19. Jahr—
hunderts ist die Kirchensprache zu einem schweren, die Köpfe erhitzenden Problem
geworden, das zu einer umfangreichen Literatur geführt hat. Die Leser mit dieser
Literatur bekannt zu machen, ist für unsere Periode noch nicht nötig“), denn
während der ganzen Zeit der Orthodorie hat die Frage der Kirchensprache noch
keine wesentliche Rolle gespielt: sie wurde — scheinbar wenigstens — ganz einfach
gelöst; erst als das in unserer Periode noch schlafende Mationalitätsbewußtsein
erwachte, ergab sich, daß die Sache doch nicht so ganz einfach lag und sehr ver—
schieden beantwortet werden konnte. An dieser Stelle kann sie jedoch noch einiger—
maßen kurz und jedenfalls ganz sine ira et studio behandelt werden.
Die Forderung der Reformation konnte nicht in dem Sinne verstanden werden,
daß jeder Volksdialekt seine eigene Kirchensprache bekam. Als Kirchensprachen
eigneten sich nur Schriftsprachen. So konnte in unserm Lande weder das Frie—
sische noch die dänische (westjütische) Volkssprache zu einer Kirchensprache werden,
denn beide waren völlig unliterarische Naturgewächse. Als Kirchensprachen standen
zur Verfügung nur die niedersächsische (plattdeutsche), die damals noch volle Lite—
ratur- und Kultursprache war, und die dänische (Seeländische) Schriftsprache. Es
war daher ganz natürlich, daß im dänischen Norden“) die dänische Schriftsprache,
n) Wer sie näher kennenzulernen wünscht, sei auf die entsprechenden Abschnitte des Kataloge
der Vandesbibliothek hingewiesen.
34) Mit Ausnahme der Städte: hier war und blieb der Hauptgottesdienst deutsch,
dänische Predigt gab es nur in Nebengottesdiensten (frühmorgens oder nachmittags).