Kirchensprache
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gang kann ich mich hier füglich enthalten. Mit O. Scheel (Gesch. Schl.Holsteins,
S. 23) ist zu sagen: „Der Eintritt in die hochdeutsche Sprachgemeinschaft hat
sich wie eine geschichtliche Notwendigkeit vollzogen. Er hat später den Herzog—
tümern nicht nur geistig, sondern auch national reiche Früchte getragen.“ Kir—
chengeschichtlish kann gefragt werden, ob die Einführung der hochdeutschen
Kirchensprache dem kirchlichen Leben unseres Landes, genauer der inneren Ver—
bindung unseres plattdeutschen Volkes mit der Kirche genützt oder geschadet hat.
Für das platte Land dürfte doch wohl, namentlich solange das Molk keine gute
hochdeutsche Schule hatte — und das dauerte noch lange“) —, die Frage in
letzterem Sinne zu beantworten sein. Allerdings gewöhnte sich unser Volk auch an
diese Neuerung, und das Hochdeutsche wurde ihm allmählich zu einer heiligen
Sprache. Es gewöhnte sich daran, zu seinem Gott anders zu sprechen als zu Weib
und Kind. So hatte das niedersächsische Volk vor den angeblich sprachlich misi—
handelten Plattdänischen Mittelschleswigs in dieser Beziehung nichts mehr voraus.
In kirchlich-religiöser Beziehung ist es für die mit dänischer Kirchensprache be—
gabten Gemeinden Nordschleswigs ohne Zweifel ein Vorteil gewesen, daß sie die
mit der Reformation überkommene Kirchensprache nicht später wieder zu ändern
brauchten.
F§36. Die Predigt.
1. Die Vorschriften der KO.
Da mit der Reformation zum Haupt- und Kernstück des Gottesdienstes die
Predigt geworden war, so ist es natürlich, das unsere KO gerade ihr besondere
Aufmerksamkeit geschenkt und eine ganze Reihe von Vorschriften für diese Amts—
handlung gegeben hat. Von solchen Vorschriften haben wir schon S. 253 f. einige
besprochen und ebenso der schönen Definition, welche die KO von der Predigt
gibt, gedacht (S. 254). Hier ist nun noch einiges nachzuholen.
Von prinzipieller Wichtigkeit ist die Vorschrift KonS. 70, daß der Prediger
nicht „seiner Bewegnis“ (deutlicher Ord.: propriis affectibus) nachgeben, son—
dern nur, was die Wahrheit ist (Ord.: quod res est), mit reinen (und ver—
ständlichen, ut intelligatur, Ord.) Worten aussprechen soll. Insonderheit soll
sich der Prediger aller Scheltworte linvectivis) und Bitterkeit (Ord. deut—
licher: calumniis) enthalten, soll auch nicht jemanden mit Namen, sondern nur
im allgemeinen die Laster (vitia) strafen, auch nichts auf die Kanzel bringen, was
er nicht gewiß weiß. Auch soll er das Schelten auf die Papisten vermeiden und
nur, soweit es nicht anders geht und der Tert es fordert, Polemik treiben.
Nimmt man hierzu die positive Vorschrift (S. 30 oben), daß der Prediger sich
als Werkzeug Christi und Gottes fühlen und darum nicht leichtfertig, sondern
mit grossem Ernst und auf eine gewisse Art (certa ratione) das Wort Gottes
verkünden soll, so ergibt sich daraus das Ideal von einem rechten Prediger, wie es
den Vätern der KO vor Augen steht.
Ausgeschlossen ist die spielende, geistreiche Predigt, ausgeschlossen jedes Vor—
drängen persönlicher Liebhabereien des Predigers, sei es die Lust am dogmatischen
e) Noch um 1700 wurde in Friesland und Angeln von den Dorfschulmeistern die Jugend
eielfach im Volksdialekt unterrichtet und nur der Katechismus anf hochdeutsch gelernt. Vgl.
Aktenstücke zur Gesch. der hochdeutschen Sprache im Hzt. Schleswig (1850), S. 8, 10.