Die Predigt im Resormationsjahrhundert
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postille (gl. S. 255), die dänischen die treffliche, frisch, lebendig und volkstümlich
gehaltene Postille Hans Tausens (1530).
Wenn wir uns ein Bild von der Art, wie die besseren Theologen
gepredigt haben, machen wollen, so können wir das aus der einzigen aus
dem Ende des Reformationsjahrhundert uns überlieferten vollständigen Predigt—
sammlung entnehmen. Das ist die Postilledes Gottorfer GSPaul
von Eitzen: „Euangelia der Fest- und Sontage durchs ganze Jahr, mit
kurzen Postillen einfeltiger Auslegung.“ Schleswig, bei Nic. Wegener, 1591
Eitzen befolgt die damals übliche und auch von Luther angewandte Lokal—
methode, d. h. aus dem Terte werden einzelne Punkte (loci) herausgehoben.
Die einzelnen Punkte (die jedoch zuweilen in einen näheren Zusammenhang ge
bracht sind) werden daun — nicht etwa durch passende Bilder oder originelle Ge—
danken, sondern vor allem durch viele Bibelsprüche illustriert. Besondere Reize
finden sich daher in diesen Predigten nicht, wohl aber herrscht in ihnen ein mild—
erbaulicher Ton. Auch die nicht fehlende Polemik gegen römische, kalvinistische und
schwärmerische Irrlehren ist sachlich und milde. Ein lebendiges, freudiges Zeugnis
von der Kraft des Evangeliums, die Seelen selig zu machen, sucht man bei Eitzen
vergebens. Wie für seine ganze Zeit, ist auch für ihn das Luthersche Evangelium
zu einem neuen Gesetz geworden: so sollbhein wir glauben, so sohlen wir leben!
Immerhin waren seine Predigten in ihrer ruhigen, besonnenen Art wohl geeignet,
den Predigern als Morbild zu dienen.
Und als solches sind sie tatsächlich den „ungeschickten Kirchherrn“ in die Hand
gegeben worden. Unter dem 21. September 1591 erging eine Herzoglich-
Gottorfische Verfügung, daß die Postille des Oberhofpredigers „umb
der gemeinen Prediger, auch der Nachkommen willen?) in jeder Kirche verwahrlich
behalten und von den Pastoren und Kirchendienern, welche sonsten mancherley
Bücher kauffen nicht vermügen, auch allerhande Schrifte, so zum Theil ver—
führerische Lehre innehalten, zu lesen gefährlich, ihre Predigten danach zu richten
gebranucht werden soll“.
Diese Verfügung ist in mehr als einer Beziehung äußerst bezeichhnend. Sie
läßt uns nicht nur in die leibliche und geistige Armut vieler Prediger hinein
schauen, sondern zeigt auch, daß diese von ihren Vorgesetzten nicht entfernt als
freie Zeugen des Evangeliums, sondern durchaus als unselbständige Werkzeuge zur
Mitteilung und Erhaltung der reinen Kirchenlehre angesehen wurden.
Daß in unserem Lande weithin in der Art Eitzens gepredigt wurde, ergibt sich
aus einigen aus Norderdithmarschen stammenden plattdeutschen Pre—
digten vom Jahre 1583, welche mir handschriftlich (aus dem Gottorfer
Archiv) vorgelegen haben. Es handelt sich bei ihnen offenbar um eine Art von
Probepredigten, welche drei norderdithmarscher Prediger, die zum Propstenamt
designiert waren, der Regierung eingereicht hatten, also um sorgfältig gearbeitete
Produkte „besserer“ Pastoren. Trotzdem machen sie einen recht unbedeutenden
Eindruck. Sie bestehen eigentlich nur aus einem Mosaik von unendlich vielen
Bibelsprüchen.
Diese Art, ohne eigene Gedanken und illustrierende Bilder und Beispiele rein
in Bibelsprüchen zu predigen, must damals verbreitet gewesen sein. So
merkwürdig sie uns vorkommt, ist doch zu ihrem Lobe zu sagen, daß sie in einer
2) Also um auch die „liebe Posteritat“ bei der rechten Lehre zu erhalten.