Die Predigt im 17. Jahrhundert
30
bringt diese wohl gar in ihrer Originalsprache, damit die Zuhörer merken, was
für ein Wunder von Gelehrsamkeit ihr Pastor ist. Man schwelgt in gekünstelten
Dispositionen, in auffälligen Bildern.
Auch in unserm Lande hat es an diesen Unarten nicht gefehlt. Schon von
Gerhard Ouwed. Ae., 159324 16034, P. in Flensburg, mußte Eitzen
sagen: „He bringet veel Hebräisch, aver disser Gemeine denet das Düdsche am
besten “).“ Ein eingebildeter und geschmackloser Vertreter einer geschwollenen, „ge—
lehrten“ Predigtart war der große Domprediger Sledanus (vergl. oben
S. 1602). Ein wahres Mosaik von fremdsprachlichen Zitaten bildet die Predigt zur
Einweihung der Kieler Universität von GS Reinboth (ogl. oben S. 188).
Ein ganz sonderbares Produkt dieses affektierten Strebens der Pastoren, durch
Zurschaustellung ihrer Gelahrtheit sich und ihre Sache den „Gebildeten“ zu emp—
fehlen, liegt mir vor in der Postilla sacramentalis des Pastors Gott-
fried Kiliani zu Glückstadt aus dem Jahre 1008“). Das Buch verfolgt
nach der Versicherung des Verfassers den Zweck, zu fleißigerem Begehen des
Abendmahls anzureizen und die Kommunikanten zu würdiger Bereitung auf das—
selbe anzuleiten. Zu dem Zweck werden alle vorgeschriebenen Evangelien auf das
Abendmahl hinausgeführt, was an sich schon manche künstliche Verdrehungen
mit sich bringt. Nun aber die „gelehrte““ Verbrämung! Die Evangelien werden
jedesmal nach Art einer Polpglottenbibel zunächst in acht verschiedenen Sprachen
(Griechisch, Syrisch, Lateinisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Englisch und
dann erst auf Deutsch) vorgeführt. Ferner werden einzelne Bibelworte aus dem
„Eingang“ am Rande in den genannten Sprachen und noch anderen Ueber—
setzungen (Arabisch, Aethiopisch usw.) wiedergegeben. Endlich bietet die „Vorrede
an den Christlichen Leser“ auf 84 Quartseiten eine philologische Abhandlung über
die verschiedenen Sprachen der Welt und auf 40 Seiten einen wohlgemeinten,
gelehrten Appell an die (auch in Glückstadt wohnenden) Juden, sich doch endlich
zum wahren Messias zu bekehren. Die Predigten selbst sind von erwünschter
Kürze und, wie der Verfasser sagt, absichtlich „einfältig“ gehalten. Der ganze
gelehrte Apparat hat also mit den Predigten gar keine innere Verbindung: er ist
reine Dekoration, durch welche Verfasser die sprachkundigen Leser reizen und sich
selbst ihnen als einen Ausbund von philologischer Gelehrsamkeit empfehlen will.
Und das alles zu dem Zweck, das höchste Heiligtum der Christenheit den Leuten
seiner Zeit lieb zu machen — ein wahres Monstrum jener VMerbindung von Evan—
gelium und „Gelahrtheit“, die in dem verschrobenen Zeitalter des Barocks zur
Modesache geworden war!
Ein Beispiel dafür, wie fromme und verständige La ien über solche „gelahr—
ten“ Predigten dachten, bietet der treffliche Husumer Stadtsekretär Augustus
Giese (vgl. oben S. 355), welcher, als der junge Diakonus Peter Sibbersen
anfing, nach der in Königsberg vom Professor Zeidler erlernten Methode „vieles
aus denen Patribus zur Erläuterung, auch deren eigene Worte in der fremden
Sprache anzuführen“, 16086 ein „Tractätlein“ mit folgendem Titel schrieb:
„Muster und Monster einer mit alten und neuen Mätern durch und durch ge—
5) O H. Möller, Hist. Nachricht von der Kirche St. Johannis S. 28.
e) Er war ein geborener Thüringer, F 1660 mit 47 Jahren. Nach AfStu Kg IV,
100 f., war er ehrgeizig und zanksüchtig. Das erstere Prädikat kann schon stimmen, denn
ein so sonderbares Werk wie das besprochene läsit sich letztlich nur aus dem heißen Wunsche,
als wissenschaftliche Zelebrität anerkannt zu werden, erklären