Full text: 1517 - 1721 (2)

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B. 2, K. 4, 8 36. Die Predigt 
spickten Predigt, und darin grausamlich gemarterten und gerumpfreckten un— 
schuldigen Textes“. (Krafft S. 255). 
Neben der Versuchung, das einfältige Evangelium von Christo vor der Ge— 
meinde mit den falschen Federn einer irrelaufenden „Gelahrtheit“ zu schmücken, 
yat die akademische Gelehrsamkeit der Predigt des 17. Jahrhunderts noch zwei 
andere Uebel nahegelegt. 
Das eine war die oft ungeheure Länge der Predigten. Selber von 
dem Wert ihrer Gelehrsamkeit aufs innigste überzeugt, glaubten gerade eifrige 
and fleißige Prediger ihrer Gemeinde nichts Besseres antun zu können, als daß 
sie sie mit ihrem gelehrten Wust geradezu überschütteten. Dadurch wuchsen trotz 
der Weisung der KO und trotz der mahnenden Sanduhren die sonntäglichen Pre⸗ 
digten zu förmlichen Büchern an. In der Meinung, dadurch die „Zuhörer“ zu 
erfreuen, täuschten sich freilich diese Prediger. Wir haben manche Beispiele von 
ernstlichem Protest wenigstens der Stadtbürger gegen die überlangen Predigten ). 
Da ferner die akademische Gelehrsamkeit der Theologen vor allem in einer ein— 
gehenden Kenntnis einer spitzfindigen Dogmatik und Polemitk bestand, versuchte sie 
die Pastoren, nicht nur ganz nach Art eines dogmatischen Lehrbuchs zu predigen, 
sondern auch die armen „Zuhörer“, die von all den Irrlehren und Ketzereien, die 
es in der Welt gab, keine Ahnung hatten, durch mehr oder minder scharfes 
Polemisieren vor „seelengefährlichen Irrtümern“ zu bewahren. Auch in 
dieser Beziehung vergaß man die weisen Vorschriften der KO. Es ist verständlich, 
wenn in der Zeit, als Herzog Johann Adolf seine kryptokalvinistischen Machi— 
nationen betrieb, auf den Kanzeln eine lebhafte Polemik gegen den sonst hier zu 
Lande gar nicht bekannten Kalvinismus anhob. Auch wenn ein Lonnerus in seinen 
Katechismuspredigten (!) — freilich in ruhiger und sachlicher Weise — seine 
Eiderstedter gegen das in ihrer Mitte grassierende Unwesen der Wiedertäufer und 
David-Joriten zu immunisieren sich bemühte. Aber geradezu einen Unfug stellte es 
doch dar, wenn Propst Lysius in Flensburg um 16090 in Polemik gegen seinen 
Kollegen Georg Stuhr vor der Gemeinde immer wieder so spitzfindige Fragen 
behandelte wie die, ob Christus auch nach seiner menschlichen Natur Gottes Sohn, 
ob die Ueberschattung der Mutter Gottes vom Heiligen Geiste oder vom Logos zu 
verstehen sei u. dgl.“). In diesem Falle beschwerten sich schließlich der Rat und 
die Aeltesten von St. Marien beim GS und betonten, daß Lysius durch seine un— 
erbaulichen und bloß auf menschliche Autorität gestellten Disputationen die Ein— 
fältigen gänzlich irre mache. 
So hat die Predigt des 17. Jahrhunderts unter mancherlei Uebeln gelitten und 
im allgemeinen dem Ideal einer rechten evangelischen Verkündigung wenig ent— 
sprochen. Damit ist aber natürlich nicht gesagt, daß gute Prediger völlig gefehlt 
hätten. Es hat sicher manche gegeben, die mit Ernst und Eifer und Gefchick der 
Gemeinde das Wort der Wahrheit verkündeten“, sei es, daß sie nach der alten 
einfachen Bibelspruchmethode predigten oder nach „moderner“ Art aus dem 
2) Freundlich machten es die Husumer: sie versprachen dem Pastor Tetzlevius, der es unter 
zeschlagenen sieben Viertelstunden nicht tat, jährlich einen fetten Ochsen, wenn er künftig von 
dieser üblen Gewohnheit lassen wolle (Krafft S. 145). 
) Val. St. A. A. VI, 71. 
) So berichtet Fabr. 1639 von dem Pastor zu Schönberg (Johannes Scheele): er redet 
beweglich, verständlich, langsamb, daß verhoffentlich die zuhörer, wo sie nur selber wollen attent 
und andächtig sein, merklich draus können gebessert werden.
	        
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