Full text: 1517 - 1721 (2)

B. 2, K. 4, 8 37. Musik. Teil des Gottesdienstes 
lung von autoritativer Bedeutung bekommen, nämlich das schon erwähnte „Enchi— 
ridion““ Luthers “). Dessen plattdeutsche Bearbeitungen, sowohl die Wittenberger 
Ausgabe, wie das Hamburger und Lübecker Gesangbuch (vergl. dazu Witt S. 202), 
auch wohl das Rostocker werden lange Zeit in unserm Lande für die Auswahl und 
die Textgestaltung der von der Gemeinde im Gottesdienst gesungenen Lieder ge— 
braucht worden sein. Aber wir haben uns die Sache nicht so zu denken, daß diese 
Sammlungen auch nur zu einem kleinen Teile in den Händen des Kirchenvolkes 
waren — es war schon viel, wenn in jeder Landgemeinde der Pastor und der 
Küster ein solches Buch in Händen hatten, um daraus den „Zuhörern“ den Text 
der Gesänge mündlich beizubringen. Der Privatbesitz eines Gesangbuchs ist sicher 
auch noch im 17. Jahrhundert das Vorrecht besser begüterter und gebildeter Kreise 
gewesen. Die zahlreichen Dichter geistlicher Lieder, welche das 17. Jahrhundert 
hervorbrachte, haben ihre Poesien als private Erbauungsbücher und zum Ge— 
brauche für Hausandachten in gebildeten Familien herausgegeben '). 
Das erste s.eh. Gesangbuch, das zwar nicht kirchenregimentlich eingeführt worden 
ist, aber doch offenbar weite Verbreitung und autoritative Bedeutung gewonnen 
hat, ist die als 2. Teil dem Waltherschen Kercken-Handböckschen 
vergl. oben S. 445) eingefügte Liedersammlung (1035). Sie enthält 92 nieder— 
deutsche und 19 lateinische Lieder, darunter 32 allein von Luther, im übrigen fast 
nur solche aus dem 10. Jahrhundert, und zwar dessen erster Hälfte. Es wollte ja 
auch lediglich „De Vormehmeste vnd Gebrückligeste Kerckengesänge“ bringen, ist 
'omit ein guter Zeuge dessen, was bis 1035 in unserm Lande wirklich gesungen 
wurde. 
Von welcher autoritativen Bedeutung das Walthersche Gesangbuch war, zeigt 
seine hochdeutsche Bearbeitung, das ebenfalls nicht offiziell angeordnete, aber doch 
als maßgebend gebrauchte „Gesangbuch““,, das den ersten Teil des Oleariusschen 
„Schleswig-vnd Holsteinischen Kirchenbuchs“ bildet (vergl. 
oben S. 445). „Es fehlt von den bei Walther sich findenden Liedern keines ... 
außerdem sind 32 hinzugekommen, bemerkenswerter Weise fast sämtlich aus dem 
160. Jahrhundert, z. T. sogar aus seiner ersten Hälfte.“ Bedenkt man die weite 
Verbreitung und die autoritative Stellung, welche dies erste hochdeutsche Kirchen— 
buch so lange in unserm Lande gehabt hat, so kommt man zu der Vorstellung, daß 
das Gros unseres Kirchenvolkes von der schönen Fülle der geistlichen Lieder— 
dichtung, welche seit 1080 in die Gesanabücher einströmte, lange Zeit hindurch 
wenig gespürt hat. 
Das erste Gesangbuch Schleswig-Holsteins im eigentlichen Sinne ist das 
Plönische Gesangbuch“'), das, seit 1674 in immer neuen Auflagen 
(letzte wohl 17601) erschienen, dem kleinen, 1701 an die Königliche Linie zurück— 
gefallene Herzogtum Plön (vergl. oben S. 138) als wirklich allgemein einge— 
führtes und gebrauchtes Gesangbuch gedient hat“). Hier haben wir endlich ein für 
die damalige Zeit „modernes“ Gesangbuch: es bietet unter seinen 442 Liedern 
(2. Auflage 1670) eine große Anzahl „neuer, geistreicher Lieder““ dar, darunter 
) Vgl. oben S. 403. 
10) So auch unser Johann Rist (Sabbahtische Seelenlust, Lüneburg 16051; Haußmusik oder 
Musikalische Andachten, ebda. 1054 u. a.). 
uu) Titel s. Brederek S. 4. 
122) Aber auch in der Propstei Segeberg, vielleicht auch anderswo, ist es „eingeführt“ 
worden (Brederek S. 15).
	        
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