Gesangbücher
4609
Gleichfalls eine reine Privatunternehmung, allerdings nicht von einem wohl—⸗
habenden Kaufmann, sondern von einem bescheidenen Landpastor, ist das 1721 zu
Schleswig gedruckte „Nützliche und erbauliche Gesangbuch““ das (ohne seinen
Namen) der oben S. 355 genannte Pastor von Haddehh Hinrich Brum—
mer ) herausgegeben haben soll.
Bedeutender und stattlicher als dies bescheidene Büchlein ist das Schleswiger
„Geistreiche Gesangbuch“ von 1719 (2. Ausgabe 1725), das von dem S. 355
genannten pietistischen Dompredige Paul Mercatus herausgegeben sein
soll. Es bietet 1004 Lieder dar und erscheint „als eine durchaus eigenartige
Arbeit, die das Beste des pietistischen Liederguts aufnimmt, ohne jedoch es so
iberwiegen zu lassen, wie das Saßsche Gesangbuch es tut“ (Bred. S. 79).
Wenn ich hier die nach Bredereks sorgfältigen Untersuchungen gegebene Ueber—
sicht über die s.eh. Gesangbuchliteratur abbrechen muß, so tue ich das mit einem
gewissen Bedauern, und zwar insofern, als gerade am Ende unserer Periode die
Gesangbucharbeit, die bei uns so spät eingesetzt hatte, in lebhaftester Bewegung ist.
„Mit dem Erscheinen des Saßschen G. B. sind wir in eine Zeit gekommen, die
nicht nur an Liedern, sondern auch an Gesangbüchern so fruchtbar ist wie kaum
eine Zeit vorher und nachher. Auch darin spiegelt unser Land im Kleinen das
Große wieder. Fast jedes Jahr erscheinen jetzt entweder neue Gesangbücher oder
doch neue Auflagen“ (Bred. S. 71).
Am Ende unserer Periode stehen wir also noch mitten im Fluß. Won dem er—
wünschten Ziele aller dieser Bemühungen, einem allgemeinen Gesang—
buchfür unser ganzes Land, sind wir noch weit entfernt. Dies Endziel
konnte ja auch erst nach Abschluß der politischen Einigung SHs (1779) erreicht
werden. Indem bis jetzt nur für Teilgebiete, wie das Fürstentum Plön und das
klein gewordene Gottorfer Gebiet amtliche Gesangbücher geschaffen worden waren,
während das weitaus größte Gebiet, das Königliche, eines solchen noch entbehrt,
dafür desto üppiger die privaten Unternehmungen aufschießen, ist ein Wirrwarr
und eine Mannigfaltigkeit entstanden, wie solche auch auf anderen Gebieten für
unser kleines Land je und je nur allzu charakteristisch gewesen sind. Da es in
jedermanns Belieben stand, sich ein Gesangbuch nach seinem Geschmacke anzu—
schaffen, brachte in der gleichen Kirche der eine dies, der andere jenes Gesangbuch
mit. Daß dadurch der Fortschritt in der Aneignung neuen und schönen Liedergutes
außerordentlich erschwert wurde, versteht sich von selbst. Angesichts dieses Wirr—
warrs wirkt faft tröstlich der an sich ja vielleicht gar nicht so erfreuliche Gedanke,
daß in den meisten Kirchen, namentlich auf dem Lande, von einem Singen „mo—
derner“ Lieder überhaupt keine Rede war, sondern ein gewisser fester „eiserner“
Bestand von alten bewährten Kirchenliedern, welcher der Gemeinde zum größten
Teil durch mündliche Tradition bekannt war, immer und immer wiederholt
wurde “).
ic) Nicht Brunner, wie Bred. S. 71 schreibt.
7) Man kann ja überhaupt fragen, ob die auch bei uns immer höher in Schwang kom—
mende Mode, förmliche Liederschätze von tausend und mehr Nummern zu schaffen, wirklich
den Kirchengesang gefördert hat. Ich nehme das Gegenteil an: gerade die dickleibigen Gesang—
bücher, die leider auch heute noch nicht ausgestorben sind, bewirken es, daß die große Masse
der Kirchgänger die vom Pastor oft mit großer Feinheit ausgesuchten, „ur Predigt passenden“
Lieder nicht mitsingt, sondern höchstens mitliest. Je kleiner die Auswahl, desto besser wird sie
gesungen. Wo gibt es eine politische oder geistige Bewegung, welche die Propaganda für ihre