B. 2, K. 4, 8 37. Musit. Teil des Gottesdienstes
Johann Walther auch das erste Chorbuch. 200 Jahre später (1723) erklang in
Leipzig zum ersten Male Bachs Johannes-Passion: die Höhe evangelischer kirchen—
musikalischer Kunst war erreicht. Hat Schleswig-Holstein an dem Wege, der
von Walther über Eccard, Schein, Praetorius, Schütz, Buxtehude zu Bach
führte, Anteil? Ja! es hat Anteil! Höchste Gipfelleistungen sind freilich nicht
erreicht, aber Anteil hat auch unser Land.
Chormusik ist in älterer Zeit nur denkbdar im Zusammenhang mit den Latein—
schulen. Schüler dieser Schulen bilden den Chor, und einer ihrer Lehrer, der
Kantoͤr, ist der verantwortliche Leiter. „Ein Cantor ist ein musikgelehrter Kirchen—
und Schulbedienter, der die Jugend, ordentlich-bestellter Weise, in guten An—
fangsgründen, absonderlich aber in der Singekunst, unterrichtet, der Composi—
tionen wohl erfahren seyn, die Kirchenmusik bestens besorgen und derselben vor—
stehen muß: zum Lobe des Höchsten, zur Erbauung der Gemeine und rühmlicher
Erziehung der Schüler“. Diese Charakterisierung des Hamburger Mattheson
1740 paßt für die ganze Zeit von der Reformation an. Unser Land hatte eine
ganze Reihe Lateinschulen; als sicher sind mir bekannt die von Hadersleben, Son—
derburg, Flensburg, Schleswig, Tondern, Husum, Tönning, Garding, Heide,
Wesselburen, Itzehoe, Wilster, Meldorf, Glückstadt, Krempe, Altona (spät!),
Ratzeburg, Mölln, Plön, Kiel, Rendsburg. Mögen diese Schulen klein oder
groß, mag ihr Zustand ordentlich oder unordentlich gewesen sein: einen Kantor,
d. h. einen akademisch gebildeten Gesanglehrer — meist war er Theologe — hatten
sie immer. Nehmen wir noch hinzu, daß viele kleinere Städte und auch größere
Dörfer einen Rektor und einen Kantor hatten, ohne eine Lateinschule zu be—
sitzen (z. B. Lütjenburg, Oldenburg, Oldenswort), so war die Möglichkeit einer
kunstgemäßen Kirchenmusik doch an vielen Orten gegeben, um so mehr, da bei
besonderen Gelegenheiten Gemeinden, die keine eigene „Figural-Musik“ — so
nannte man die Kunst Musik — aufbringen konnten, sich die Ausführenden aus
einer benachbarten Stadt kommen liesien.
Unsere Archive gestatteten uns nun den Nachweis, daß die Möglichkeit einer ge—
ordneten Kirchenmusik weitgehend Wirklichkeit geworden ist.
Aus der ersten Blütezeit der Schleswiger Schule (1867 — 1008) wird uns
erzählt, wie ein „Engelchor““, Knaben und Diskantisten, den Chor der Dom—
herren abgelöst habe und „bald darauf“ ein dritter Chor von der Orgel her ein—
gegriffen habe, „fein distincte unterschiedlich und langsam mit herzlicher und
lebendiger Andacht und einem rechten christlichen Ernst““. Engelke erwähnt“)
eine vierstimmige Messe des Gottorper Kapellmeisters Hans Fröhlich (1574) und
macht uns mit mehrchörigen, sehr breit ausgeführten Psalmen von Johann Som—
mer (um 16000) bekannt *). In Flensburg gründen 1575 Gymnasiasten eine
Kantorei““); aus ihren z. T. noch vorhandenen MNotenschätzen erkennen wir,
daß sie viel bewährtes Gut auch katholischer Herkunft neben Originalarbeiten der
valien me ine Monograrphie des Kieler Kantors Petr. Laur. Wockenfuß (vgl. oben S. 473)
der 1. Band von Bernhard Engelke, Musik und Musiker am Gottorfer Hofe,
Breslau 1930 (der 2. Band ist leider immer noch nicht erschienen), und die Dissertation von
Hans Schilling: Tobias Eniccelius, Friedrich Meister, Nicolaus Hanff, Kiel 1934, in
Frage. Für alle Einzelheiten verweise ich auf meine Wockenfuß-Monographie, soweit nicht
eine andere Herkunft angegeben ist. Theodor Voß.
22) Engelke S. 35.
as) Engelke S, 201 ganz abgedruckt.
3u) Engelke S. 11.