§38. Priesterliche Verrichtungen.
Unter diesem Titel behandle ich die Amtshandlungen, in welchen die Geistlichen
den einzelnen Kirchengliedern weihend und segnend im Namen Gottes, also in
priesterlicher Funktion, entgegentraten.
Den ersten Platz unter diesen Handlungen nehmen naturgemäß die „Sakra—
mente“ ein. Zu diesen hat die erste reformatorische Zeit bekanntlich neben Taufe
und Abendmahl auch die Beichte oder Absolution gerechnet. Das gilt nicht nur
von einer so großen kirchlichen Autorität wie Melanchthon), sondern auch von
unserer KO?). Ohne uns um die spätere Dogmatik und ihre beschränktere Auf—
fassung von dem, was als Sakrament zu betrachten sei, zu kümmern, folgen wir
der Spur der Geschichte, indem wir zwischen Taufe und Abendmahl vom „sacra-
mentum poenitentiae'“ handeln, zumal die Absolution als notwendige Vor—
bereitung für das Abendmahl galt und jedenfalls während unserer Periode vom
Kirchenvolk durchaus als Sakrament gewürdigt wurde.
1. Die Taufe.
Die KO gibt nach einer Definition der Taufe — danach ist sie eine
Versiegelung der Dinge, welche wir von Christo glauben, ein zwischen uns und
Gott in Christo aufgerichteter Bund, der den Glauben befestigt, auf die Buße
hinweist und ein christliches Leben von uns fordert — S. 412 43 einige Vor—
schriften über den Vollzug dieser Handlung, auf die wir weiterhin zurückkommen.
Ein ausgeführtes Formular der regulären Taufe bietet die KO
nicht, aber schon ihr Hinweis auf das „Döpebökeschen“ beweist, daß sie Luthers
Taufbüchlein als bestimmendes Formular im Auge gehabt hat, und der spätere
liturgische Befund (Walther und Olear.) zeigt, daß man wie in den meisten
lutherischen Kirchen so auch in unserm Lande die Taufe genau nach Luthers
Taufbüchlein, und zwar dem von 1526 (W. A. 19, 531 ff.), vollzogen
hat. Danach verlief eine Kindertaufe in der Kirche folgendermaßen:
Die Handlung begann nicht am Taufstein, sondern an einem andern Ort
der Kirche. Ursprünglich wird dieser andere Ort wohl vor der Tür des Kirchen—
schiffes gewesen sein'). So entsprach es dem von Luther festgehaltenen Gedanken,
daß das Kind an sich unter der Herrschaft des Teufels stehe und erst durch Aus—
treibung des bösen Feindes die Möglichkeit erhalte, durch die Taufe in das Reich
Gottes aufgenommen zu werden. So fand denn Fabr. noch 1039 in Töstrup,
daß der Pastor zunächst die „Einsegnung“ im „Kirchhause“ (der Eingangshalle
unter dem Turm?) verrichtete, und in Hohenstein blieben die Leute „im Leich—
hause“ (was wohl dieselbe Stelle bedeutet), bis der Pastor sie hereinholte. Aber
eben daraus, daß das besonders bemerkt wird, ergibt sich, daß im allgemeinen auch
) In der Apologia XIII, 4: Vere igitur sunt sacramenta baptismus, coena
Domini, absolutio, quae est sSacramentum poenitentiae, Nam hi ritus habent
mandatum Dei et promissionem gratiae, quae est propria novi testamenti.
2) Wgl. die Stellung des Artikels von der Absolution zwischen denen von Taufe und
Abendmahl, dazu die ausdrücklichen Worte S. 17 f.: Hyr (zu Taufe und Abendmahl) schal
men tho don dat drüdde / wescker us de Bote ...
2) So nach Lutbers Taufbüchlein von 1523 (W. A. 12, 38 ff.).