B. 2, K. 4, 8 38. Priesterliche Verrichtungen
der Eingangsakt im Kirchenraum vor sich ging, allem Anschein nach vor dem
Altar.
Die Handlung begann mit der Frage, ob das Kind nicht etwa schon in der
Not getauft sei. Wenn diese Frage glaubwürdig verneint war, so hielt der Pastor
zunächst eine erweckliche Ansprache über den Wert der Taufe. Dann erfolgte der
er ste (kleine) Exorzismus: „Fahre ut, du unreine Geist, und giff
Ruum dem hilligen Geiste!“ Der Täufer machte an Stirn und Brust des Täuf—
lings das Zeichen des Kreuzes)) und sprach: „Nim hen dat Teken des
hilligen Crützes, beyde an dat Vorhövet unde an de Vorst.“ Es folgte das schöne
Gebet für das Kind, das wir in unserm liturgischen Handbuch von 1898 S. 3
finden, und darauf das ebendort zur Auswahl gegebene merkwürdige, gekünstelt—
typologische sog. Sintflutgebet?“). Nunmehr erfolgte der zweite (sog.
große) Exorzismus: „Ick beschwere di, du unreine Geist, bi dem Namen des
Vaders — und des Söhns 4 und des hilligen Geistes F dat du utfahrest und
wikest van dissem Dener (disser Denerinnen) Jesu Christi N. N. Amen!“ Nach
Verlesung von Mark. 10, 13—-16, legt der Täufer die rechte Hand auf
das Kind und betet das Vaterunser.
Nunmehr leitet er das Kind zum Taufstein und spricht: „De Here beware
dinen Ingang und Utgang van nu an bet to ewigen Tiden. Amen!“ Es folgt die
sog. Abrenuntiation: „N. N. Entseggst du dem Düwel? Unde allen sinen
Werken? Unde allem sinem Wesende?“ Das Kind antwortet durch die Gevattern
dreimal Ja. Auf die dreifache Glaubensfrage nach dem Apostolikum
(„Gelövestu an Godt den Wader usw.“) wieder ein dreimaliges Ja des Kindes
durch die Gevattern. Endlich die Tauffrage: „Wultu gedöfft syn?“, und
auf die Bejahung die eigentlhiche Taufe: „Und ick döpe dy im Namen
des Vaders / unde des Söhns unde des hilligen Geistes“).“ Schluß-—
votum: „De Allmechtige Godt und Vader unses HEren Jesu Christin de
dy anderwerts gebahren hefft dorch das Water und den hilligen Geist / unde hefft
dy alle dyne Sünde vorgeven /de stercke dy mit syner Gnade thom ewigen
Levende. Amen. Frede sy mit dy. Amen! Amen!“ Es folgte, sollte jedenfalls nach
der KO folgen eine Ansprache an die Gevattern über ihre Pflichten.
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) Das war die einzige von den vielen symbolischen Handlungen des katholischen Ritus,
welche Luther endgültig beibehalten hatte. In dem Taufbüchlein von 1523 (W. A. 12, 38 ff.)
finden wir außerdem noch das Anblasen unter den Augen, das Legen von Salz in den
Mund, das Anrühren des rechten Ohrs, der Nase und des linken Ohrs mit Speichel, sowie
auch eine förmliche Anrede an den Teufel im Anschluß an das Sintflutgebet.
6) Man weiß noch immer nicht recht, woher eigentlich Luther das genommen hat. Vgl.
Rietschel II, S. 607 f.
60) Wie das eigentliche „Wasserbad“ während unserer Periode in unserm Lande mehr oder
minder allgemein vollzogen wurde, ob nach dem Wittenberger Ritus (Mich. S. 255) — das
Kind wird durch Ausziehen des „Westerhemdes“ völlig entblößt und ihm mit einem Kännchen
oder der Hand dreimal Wasser über den Kopf und den Rücken gegossen — oder nach dem
schon von Bugenhagen übel vermerkten Hamburger Brauch — man entblößte nur den Kopf
durch Abnahme der Taufhaube und benetzte diesen dreimal — ist nach dem Quellenbefund
nicht zu entscheiden. Für ersteres spricht die Vorschrift der KO S. 41, daß man die Kinder
„van ehren Kleedern entblöten und dremal mit Water auergeten““, und daß der Küster bei
Winterszeiten warmes Wasser „in einem Becken“ bereithalten sollte. („Wente de Döpe ys
thom Heyle vnde nicht thom vordarue der Kinder verordent.“) Fürs letztere die flachen Becken,
die mit der Zeit in den ursprünglich leeren Taufstein gesetzt wurden — diese kamen erst mit
der Einführung der Besprengungstaufe in Gebrauch ( KO S. 41 Anm.).