B. J1, 9 3. Res. Bewegung in den Herzogtümern
Davon wird weiterhin zu reden sein. Zunächst haben wir des näheren zu be—
trachten, wie unter der wohlwollenden Neutralität des Herrschers die Sache in den
Herzogtümern verlief. Der gleiche Landesherr und die vielfach gleich ge—
lagerten fozialen und kulturellen Verhältnisse bedingten einen in mancher Be—
ziehung parallelen Verlauf; nur verlief, wie schon angedeutet, alles ruhiger, in
Stoß und Gegenstoß matter als bei dem lebhafteren dänischen Nachbar.
§3. Die reformatorische Bewegung in den Herzogtümern
bis zum Tode Friedrichs J. (1522 - 33).
l. Anfänge der Reformation (bis 1526).
In den Herzogtümern hatte Friedrich J. insofern eine freiere Hand, als er durch
keine Handfeste zur Bekämpfung der lutherischen Ketzerei verpflichtet war. Anderer—
seits aber konnte er mit Rücksicht auf die Lage im Königreich auch hier nicht positiv
reformatorisch eingreifen. So hat er denn auch hier nach dem bewährten Rate
Landgraf Philipps von Hessen „die Sachen schleifen lassen“, indem er zwar einer—
seits die Hierarchie bei vollen Würden und Berechtigungen beließ, andererseits aber
der evangelischen Bewegung insofern zu Hilfe kam, daß er Predigern des Evan—
geliums freigiebigst Schutzbriefe ausstellte und die neue Bewegung da, wo sie nicht
revolutionär ausartete, ruhig gewähren
Im Herzogtum Schleswig nahh die Bewegung ihren Ausgangspunkt
in Husum?!).
Rechtlich noch ein Flecken — erst 1003 bzw. 1008 erhielt es das Stadtrecht —,
war Husum zur Zeit der Reformation ein durch Handel und Seefahrt volkreicher,
von einer wohlhabenden Bürgerschaft bewohnter Ort'). Auch kirchlich, obwohl erst
1448 der Muttergemeinde Mildstedt gegenüber selbständig geworden, hatte es mit
seiner großen, schönen, mit 18 Nebenaltären ausgestatteten Marienkirche sicherlich
für die geistig und kulturell hochstehende plattdeutsch-friesische Umgegend eine große
Bedeutung.
Wahrscheinlich direkt von Wittenberg angeregt'), begannen im Jahre 1522 zwei
oon den zahlreichen Vikaren an der Marienkirche, der im Jahre 1490 in Husum
zeborene Her mann (Harmen) Tast und Diedrich Becker (Pistorius),
ebenfalls ein Husumer Kind, das neue Evangelium zu predigen. Tast scheint der
Führende gewesen zu sein'). Als die dem alten Glauben treu bleibende Mehrheit
) Zu Husum vgl. bes. Krafft, sowie die allgemeinen Darstellungen der Husumer Ge
schichte Ferner den Artikel „Hermann Tast“ von E. Michel sen in RE 19, 382 ff., den
von H. Rör dam in DBL 17, 88 ff., den Aufsatz „Hermann Tast“ in „Heimat“ 1903,
Nr. 7 u. 8. Für das ganze Herzogtum bes. den lehrreichen Aufsatz von A. D. Jör—
gensen „Reformationen i Sönderjylland indtil Foraaret 15826“ in KSs, 4. R. Bd. l,
. 577603
2) Ueber den Wohlstand Husums gegenüber Kiel, Itzehoe, Schleswig, Hadersleben usw.
unterrichte Jör genseenn S. 502. Es rangierte mit Flensburg.
) Dort studierten bereits 1818 zwei Husumer Studenten. Vgl. Ny K.sS. I. 4601 ff.
2) Pistorius starb schon 1533.