Full text: 1517 - 1721 (2)

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B. 2, K. 4, 8 38. Priesterliche Verrichtungen 
Liturgische Anordnungen gibt die KO, abgesehen von etlichen Worten über das 
Glockenläuten und den Schülergesang, nicht — begreiflicherweise, da neue, dem 
reformatorischen Glauben entsprechende Formen der Bestattung sich erst allmäh— 
lich bilden konnten. Gerade in bezug auf die Totenbestattung waren in der alten 
Kirche manche Gebräuche aufgekommen, welche die Reformation durchaus abzu— 
schaffen für nötig hielt, so alles, was von dem Gedanken ausging, daß die Seele 
des Abgeschiedenen im Fegefeuer weile und die Kirche alles tun müsse, um ihr 
da herauszuhelfen. Dazu gehörten namentlich die Vigilien (die Nachtwachen bei 
den in der Kirche aufgebahrten Leichen) und die Seelenmessen (auch Requiems 
genannt, nach dem sie einleitenden Introitus: Requiem aeternam dona eis 
etc.), in denen Leib und Blut des Herrn zum Besten der Toten geopfert ward. 
Auch gegen feierliche Gebete für das ewige Heil des Verstorbenen hatte man viel— 
fach Bedenken, aber unsere holsteinischen Bauern ließen sie sich nicht ohne weiteres 
nehmen (vgl. oben S. 18, Anm. 22). 
Allmählich aber bildeten sich auch in unserm Lande feste Formen der evan— 
gelischen Art der Leichenbestattung aus, die, örtlich mannigfach verschieden, doch 
gewisse gemeinsame Züge zeigen. Bei einer „großen“ Beerdigung, wie sie im 
17. Jahrhundert stattfand, können wir folgende Momente unterscheiden: 
l. Das Läuten der Glocken, hier und da auch einer besonderen „Totenglocke““ 
a) gleich nach dem Absterben eines Gemeindegliedes, b) eben vor der Totenfeier, 
c) während des Leichenkondukts, d) zum Abfchluß der Feier. 
2. Eine häusliche Feier am offenen Sarge (Parentation), bei der an manchen 
Orten (z. B. in Angeln) die Küster oder Schulmeister die Rede hielten. 
3. Den feierlichen Zug vom Hause zur Kirche, geführt von einem singenden 
Knabenchor, hier und da unter Vorantragung des Kreuzes?)). Die KO läßt das 
Singen der Knaben nur zu, wo Schulen (d. h. Lateinschulen) sind, „wo aber 
keine Schulen sind, sollen des Toten Freunde und Nachbarn stillschweigend der 
Leiche folgen“. Mit der Entstehung und Ausbreitung der Küsterschulen auf dem 
Lande ist dann dieser Brauch immer allgemeiner geworden ). In der ersten Zeit 
war der Schülergesang wohl meistens lateinisch — die KO nennt als zugelassene 
lateinische Gesänge den Benedictus, den Psalm Domine refugium oder De 
profundis oder auch das Miserere mit der Antiphon Media “). Die latei— 
nischen Gesänge werden sich in den größeren Städten noch lange (bis ins 
18. Jahrhundert) erhalten haben, in den kleineren und auf dem Lande wird man 
frihe von der Erlaubnis der KO, „auch andere, deutsche Gesänge“ singen zu 
lassen, Gebrauch gemacht haben. So sang man etwa: „Midden wy im Leven 
syn“ oder „Wenn myn Stündlin vorhanden ys“ oder „Mit Fred vnd Fröuwd 
ick fahr darhen“ oder „Vth deeper Noth schry ick tho di“ ). 
4. Die „Leichpredigt“ in der Kirche entweder angesichts des im Chor aufge— 
bauten Sarges oder, nachdem die Leiche „eingesenkt““ war, als Schlußakt. Die 
) Noch heute besteht diese Sitte in ... Schleswig⸗Holstein“, sagt Rietschel II, S. 322. 
Wo? Mir ist diese Sitte unbekannt. 
25) Wie es bei diesem Schülergesang im alten Wilster herging, schildert sehr ergötzlich 
Scumadcer in seinen „Genrebildern““ S. 234 ff. 
) S. 632. 
27) Im 17. Jahrbundert waren als lateinische Gesänge gebräuchlich: Media vita, Si bona 
suscepimus und Credo quod Redemptor meus vivit (Walther S. 144).
	        
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