Das Begräbnis
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Leichpredigt ist der evangelische Ersatz für die abgeschaffte Seelmesse, deshalb
wurde von der kirchlichen Obrigkeit ihre allgemeine Einführuug gewünscht und ge—
fördert. Auch drang man darauf, daß es nicht bei einer bloßen Rede (von der
Kanzel) blieb, sondern auch vor dem Altar eine Kollekte gesungen wurde (mit
nachfolgender Schriftverlesung), um so der Feier den Charakter eines wirklichen
Gottesdienstes zu geben. Bei Walther (S. 143) wird als Kollekte die einfache
Salutatio mit nachfolgendem Gebet, vorgeschrieben, doch finde ich handschriftlich
in meinem Exemplar schon eine andere Antiphon:
Ministéer: Ick weet, dat myn Erlöser levet. Alleluja. Chorus: He wert mi vth der erden
vperwecken. Alleluja.
Ebenso im Glücksburgischen Kleinen Altarbuch auf Hochdeutsch.
Um die Mitte des 17. Jahrhunderts war die „Leichpredigt“ noch keineswegs
allgemein. So berichtet der Visitationsbericht von Fabr. (Klotz) 1637 von den
Adelskirchen:
Etlicher Orten geschehen vber allle todten, andersw vber manche, anderswo vber
keine die leichsermonen. Etlicher orten geschehen sie in der kirchen, anderswo vf dem Kirch-
hofe bei dem grabe.
Nach dem „Sermon“, der sich — so wünschten es die Oberen — nicht sowohl
mit dem Toten beschäftigen, sondern an die Lebenden richten und sie an den
eigenen Tod und die Hoffnung einer seligen Auferstehung erinnern sollte, folgte
die Verlesung des (vielfach vom Küster verfertigten) Lebenslaufs (Vita) des
Entschlafenen. So war mit der „Leichpredigt“ ein schöner Gebrauch geschaffen
worden, der — richtig benutzt — durchaus erbaulich wirken konnte und während
unserer Periode auch wohl ziemlich allgemein geworden ist.
5. Die Feier am Grabe. Dabei wurde das Grablied von Michael Weiße:
„No lath vns den Lyff begraven“ gesungen (Walther S. 77f.). Der Erdwurf
seitens des Predigers bürgerte sich erst allmählich ein. In Hohenstein fanden die
Visitatoren (1037) die Formel: „Du bist erde, o Mensch und solt zu erden wider
werden“ Gewünscht wurde der Abschluß mit Vaterunser und Segen.
So schön diese neuen Formen der Bestattung waren, wurden sie doch während
unserer Periode (und weit darüber hinaus) keineswegs allen Toten zuteil. Um
von den ohne Sang und Klang an abseitiger Stelle eingescharrten Verbrechern,
Kirchenverächtern und Selbstmördern abzusehen, wurden kleine Kinder,
namentlich wenn sie ungetauft verstorben waren, in der Stille beerdigt. Doch
ordnete GS Hudemann auf einer Visitation zu Wandsbek schon 10603 an, daß
die kleinen Kinder, die etwa für oder nach der Taufe verstorben seien, nicht wie
bisher in der Stille, sondern mit christlichen Zeremonien beerdigt werden sollten.
„Dann solches wider die Liebe und Wohlthat, die man seinen Verstorbenen auf
Hoffnung der Auferstehung zu erweisen schuldig ist.“ Aehnlich hatte auch schon
Propst Clüver in Meldorf 1031 verordnet GBu J, 104, IV, 20).
Sonderlich aber die ganz Ar men mußten sich ohne oder nur mit geringen
„christlichen Ceremonien“ behelfen. Schon die KO verpflichtet die Prediger zur
Mitwirkung bei den Beerdigungen nur für den Fall, daß sie dazu „gefordert“
(und also auch bezahlt) werden. Nun aber waren die für das Glockenläuten, an
die Prediger und die andern Mitwirkenden zu zahlenden Gebühren vielfach so
hoch, dasß die ganz Armen sie nicht leisten konnten. So brachten sie ihre Toten