B. 2, K. 4, 8 39. Katechetische Tätigkeit
„grobe und junge Volk“ an (S. 32). Auf dem Lande dagegen, wo nach der Vor—
stellung der „Gelehrten“ n uer „grobes Volk“ saß, wurde die Katechismuspredigt
in die Hochmesse verlegt: die Stunde, über welche man die Predigten nicht hin—
ausziehen sollte, wurde geteilt; die eine Hälfte sollte dem Sonntagsevangelium,
die andere einem Stück des Katechismus gewidmet werden (S. 34).
Auch über die Art der Katechismuspredigt gibt die KO eingehende Vor—
schriften. Vor allem soll der Prediger sich hüten, gerade bei dieser Gelegenheit
sein Geisteslicht besonders leuchten zu lassen; vielmehr soll er zum Besten der ver—
sammelten (einfältigen) Gemeinde alles aufs einfältigste vortragen, und zwar so,
daß er zum Schluß immer auf denselben Wortlaut hinauskomme, nämlich den des
Kleinen Katechismus Luthers (genauer: der „Erklärungen“ Luthers), auf daß
durch Einträchtigkeit der Lehre das Volk auf eine ganz bestimmte und feste Art
möge gelehret werden. Jedesmal soll man ein bestimmtes Stück des Katechismus
oornehmen, und wenn dieser ganz durchgepredigt ist, wieder von vorn anfangen ).
Später wurde verordnet, daß auf dem Lande, wo zwei Prediger stünden, der
Diakonus am Sonntagnachmittag (42 Uhr) den Katechismus zu erklären habe.
Schon damit kam auch in vielen Landgemeinden die — im Grunde doch auch
höchst merkwürdige und störende — Zweiteilung der „Hauptpredigt“ ab, und der
Pastor konnte sich nun eine Stunde lang über das Evangelium verbreiten. Des
weiteren tat die geringe Lust vieler Pastoren zu so „einfältiger“ Rede der Kate—
chismuspredigt Abbruch. Auch konnte man sich mit gewissem Recht darauf be—
rufen, daß der allmählich auch auf dem Lande besser werdende Schulunterricht
besondere Katechismuspredigten überflüssig mache. Soviel ich sehe, ist die kirchen—
ordnungsmästige Verpflichtung der Geistlichen, Katechismuspredigten zu halten,
aiemals offiziell aufgehoben worden; trotzdem ist diese Form des Religionsunter—
richts im Laufe des 18. Jahrhunderts so gut wie völlig abgekommen.
Uebrigens hat es auch für derartige Predigten „Postillen“ gegeben, auch in
niederdeutscher Sprache. Auch in diesem Stücke ihrer Tätigkeit waren also die
minderbegabten Prediger nicht ohne Stütze. Auch Prediger unseres Landes wie
W. Alardus haben solche Postillen herausgegeben. Als ein besonders gutes Werk
dieser Art ist die von Mag. Andreas Lonnerus verfasite Praxis cate-
chetica, das ist Christliche Catechißmusüübung (Hamburg 1648), zu nennen,
welche Geist mit Einfalt trefflich vereint und namentlich auch die christliche Sitt—
lichkeit mit Ernst behandelt“).
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2. Die Einprägung des Wortlauts.
Es sollte zwar — und damit meinten die Alten es sehr ernst — den Leuten
eine lebendige und seligmachende Gotteserkenntnis beigebracht werden. Da aber
der gemeine Mann nicht genügend sprachlich gebildet war, um sich mit eigenem
Wort über seinen Glauben auszusprechen, austerdem auch, wenn man dem täufe.
rischen Subjektivismus nachgab, nur allzu leicht Irrtümer sich einschleichen konn—
ten, sollte er gehalten sein, sein Bekenntnis in den bewährten und sicheren Formen
des Katechismus auszusprechen. Neben einem notdürftigen Verständnis war
daher die Einprägung des Wortlauts ein unabweisbares Bedürfnis. Wie das in
) Aus Fabr. erfahren wir, daß als Norm galt, jedes Jahr einmal den Kat. durchzu—
oredigen.
*) Vgl. zu Andreas Lonnerus (II) oben S. 314.