Katechismusunterricht
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der Kinderschule gemacht werden sollte, sagt die Verordnung Christian III.
von 1544 (bei Rendtorff S. 260): Die Schulhalter sollen nach dem Katechismus
erstlich die biblischen Texte (also die sog. Hauptstücke) laut vorsprechen und „de
lütjen lüde, darmet se acht geven, nabeden laten; ock wieder met de antwort unde
athlegung also thom andern gang fortfaren und bestendig repeteren. Wo se averst
nicht frisch wesen, dat einer von den uppersten in der Scholen vorbeden und yme
nabeden laten mach')“. Aber wie sollte den Erwachsenen, die größtenteils
nicht lesen konnten, der Wortlaut des Katechismus beigebracht werden? Dafür
gab es kein anderes Mittel, als daß er ihnen innerhalb des Gottesdienstes immer
wieder vorgehalten wurde. In diesem Sinne verordnet schon die KO, daß der
Prediger zwar immer nur ein besonderes Stück des Katechismus (etwa ein
Gebot, eine Bitte) behandeln, aber allemal den gan zen Katechismusteil, zu
dem das Stück gehört, also das ganze Hauptstück hersagen soll, und zwar „lang—
sam, damit die Kinder und alle anderen bei sich die Worte mitsprechen mögen“
(S. 32), „damit ein jeder Bauer bei sich reden und nachsprechen möge“ (S. 34).
Jedes einzelne Stück aber sollen sie mit Luthers Erklärungen abschließen (ebenda).
Es zeigte sich jedoch, daß diese Rezitation nur e in es Hauptstückes pro Sonn—
tag nicht genügte, um den Leuten den ganzen Katechismus zu eigen zu machen.
Es galt ja auch ferner, ihnen die für die häusliche Frömmigkeitsübung und die
Beichthandlung nötigen Formeln, auch wohl die üblichsten „Psalmen“ (Kirchen—
lieder), beizubringen. So mußte die Rezitation der heiligen Texte bedeutend ver—
mehrt werden, womit jedenfalls auf dem Lande der sonntägliche Gottesdienst noch
mehr als bisher den Charakter einer Sonntagsschule für die Unmündigen be—
kam. Aus Fabr. erfahren wir in dieser Beziehung sehr interessante Einzelheiten.
Im Fürstentum Gottorf waren, wie es scheint ohne ausdrückliche Verfügung,
durch die beiden Fabricius bestimmte Anordnungen getroffen worden: „An jedem
Predigttage, keinen Sonn⸗, Fest- oder Bettag ausgenommen, sollte der Küster
mitten in der Kirche oder sonst an einem bequemen Ort, da er von allen gehört
werden konnte, nachdem der Psalm: ‚Wir gläuben all an einen Gott' oder welcher
der letzte Psalm vor der Predigt war, jedesmal ein Stück des Katechismus mit
der Auslegung verlesen, samt der Beichte, Fragestücken, Morgen- und
Abendsegen und Tischgebeten.“ Der Prediger aber sollte n asch geendigter Predigt
von der Kanzel vor dem Kirchengebet die fünf Hauptstücke ohne Aus—
legung mit der Beichte und den Fragestücken verlesen. Anstatt des Küsters
konnten auch, wo man dieselben hatte (1), erwachsene Knaben das Vorlesen ver—
richten. Aehnliche Ordnungen brachte das Bedürfnis wohl in allen Kirchen des
Landes hervor, doch waren sie sehr verschieden. In den adeligen Kirchen lag die
Schwierigkeit vor, daß neben dem „groben Wolke“ die Junker in ihren Stühlen
thronten und man diesen das ewig wiederholte Anhören der Texte nicht zumuten
mochte. Daher unterließ man in Bovenau das Vorlesen ganz; anderswo ver—
trieb man die meist nicht unerhebliche Zeit, während welcher das Bauernvolk
a) In den Ausdrücken „vorbeten, nachbeten“ und dem allgemein üblichen „den Katechismus
beten“ liegt eine fromme und pietätvolle Würdigung des überlieferten heiligen Wortlauts, die
zwar dem modernen subjektivistischen Empfinden nicht entspricht, aber ohne Zweifel der
heutigen geistigen Zerrissenheit unseres Volkes gegenüber auch manche Vorteile hatte. Man
darf sich denken, daß Junge und Alte die Worte des Katechismus nie anders als mit ge—
kalteten Händen aufsagten. Sehr oft wird in unserer Periode vom „heiligen“ Katechismus
Jesprochen.