Wesen der Konfirmation
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weithin vorbildlich gewirkt. Doch steht es ebenso außer Frage, daß mehrere luthe—
rische Landeskirchen bei der Einführung und Gestaltung der Konfirmation von
Butzer völlig unabhängig gewesen sind. Ihr Hauptpatron und einflußreichster Be—
fürworter auf lutherischem Gebiet ist ohne Frage Martin Chemnitz ge—
wesen. Seine in dem Examen Conc., Trid. II, p. 113 zu findenden Worte
über die Zulässigkeit und die Gestaltung einer evangelischen Konfirmation sind der
locus classicus für alle späteren Befürworter derselben, auch z. B. für unsern
Arnkiel gewesen. In Chemnitz Nachfolge sind es gerade die echt lutherischen
Theologen, die Männer der Konkordienformel gewesen, welche die Konfirmation
förderten (Aegid. Hunnius, Leonh. Hutter, Joh. Gerhard u. a.), sie haben also
dasselbe getan, wie nachher die Pietisten“). Daß diese beiden Richtungen in sol⸗
chem Stücke am gleichen Stricke zogen, ist nicht so wunderbar, wie Hansen in
seinem Buche es anzunehmen scheint, sondern erklärt sich — ganz abgesehen von
ihrer inneren Verwandtschaft — daraus, daß die Lutheraner durchweg energische
und tüchtige Kirchenleute waren, welchen die Stumpfheit des Kirchenvolkes auf
dem Gewissen lag, die daher ebenso wie die Pietisten lebendige und bewußte Ge—
meinden zu schaffen sich bemühten, nur daß sie das nicht wie diese auf dem Wege
der Erweckung und Bekehrung der einzelnen, sondern durch kräftige und lebendige
Einprägung der Katechismuswahrheiten zu erreichen suchten. Das gemeinsame
Streben nach Verlebendigung des Kirchenvolkes führte darum Lutheraner und
Pietisten zu gleichen Wegen: Einführung der Konfirmation und Hebung der
elementaren Volksbildung. War den guten Orthodoxen die Konfirmation vor
allem ein weihevoller Akt, welcher die Leute zur besseren Fürsorge für die reli—
giöse Unterweisung ihrer Kinder anreizen sollte, so gab sie ebenso wie der voran—
gehende Unterricht den Pietisten die erwünschte Gelegenheit, in erwecklicher Weise
auf die Jugend einzuwirken.
Das gleiche Streben beider Richtungen für die Einführung der Konfirmation
zeigte sich auch in unserem Lande. In hohem Maße vorbildlich ist hier
offenbar die Niedersächsische (Lauenburgische) Kirchenordnung (1585) gewesen.
Diese aber stammte von dem Lübecker Superintendenten Pouchenius, dem
Freunde der Konkordienformel und Feinde des philippistischen Paul von Eitzen.
Der erste Vater der Konfirmation in unserem Lande ist dann der gute Lutheraner
Stephan Klontz geworden, ihr zweiter der zum mindesten doch vom Pietis—
mus schon berührte Trogillus Arnkiel. Beide sind zugleich energische
Förderer der ländlichen Elementarschule. Am Ende unserer Periode sehen wir den
scharf orthodoxen königlichen GG Jossua Schwartz Arm in Arm mit seinem
gemütvoll-⸗pietistischen fürstlichen Kollegen Caspar Sandhagen fkür die
Konfirmation eintreten.
Damit kommen wir zur speziellen Geschichte ihrer Einführung in Schleswig—
Holstein.
9) Es ist eben eine falsche Perspektive, in der Hansen in Nachfolge Rendtorffs (Schul-
ordnungen S. 237) die kirchengeschichtliche Entwicklung sieht, wenn er die „milden“ Me—
lanchthonianer und Calixtiner als Vorläufer des Pietismus wertet. Es gibt natürlich auch
Linien, die diese beiden Richtungen verbinden. Aber die Hauptlinie führt von Melanchthon
über Calirt zum Rationalismus einer- und von Luther über die Männer der Konkordienformel
und die Vertreter der „frommen Orthodorie“ zum Pietismus andererseits.