Full text: 1517 - 1721 (2)

B. 2, K. 5, 9 42. Erziehungsfaktoren 
Wir kommen nunmehr zu den eigentlichen Kirchenstrafen ,der 
Disciplina ecclesiastica. 
Alle weltlichen Strafmittel waren ja durch die Reformation der Kirche ge⸗ 
nommen worden. Das einzige, was ihr neben dem „Wort“ geblieben war, war 
die Handhabung der „Schlüssel“ (Maith. 16, 19), das Recht die 
Sünden „zu behalten“ und damit den Sünder von der ewigen Seligkeit auszu— 
schließen. Auf dieser Schlüsselgewalt ruhen alle im besonderen Sinne kirchlichen 
Strafen. Vor allem der Bann, von dem wir gleich besonders handeln wollen. 
Ferner das Recht der Kirche, die Sünder auch über den Tod hinaus aus der Ge— 
meinschaft der Gläubigen auszuschließen und also ihnen ein „ehrliches“ Begräbnis 
zu versagen. Diese Strafe war zur Warnung der Lebenden, besonders für Ver— 
ichter des Wortes Gottes und des heiligen Mahles bestimmt. So gebietet die 
Verordnung Herzog Friedrichs III. von 1623, daß, wer „ohne Empfang des heil. 
Abendmahls drei Jahre lang unbußfertiglich sich gehalten und darüber ohne be⸗ 
kehrung todes verfahren, ... ohne Gesang und Klockenklang ... an einem be— 
sonderen Ohrt auf'm Kirchhofe (an der Mauer) begraben“ werden sollte. Aehnlich 
auten die mit Königlicher Autorisation erlassenen „Emendationsartikel“ des 
Propsten Clüver (Königl. Dithmarschen) von 1631 (BuJ, 19). Diese Anordnung 
var begreiflicherweise sehr wirksam und führte vor allem dazu, daß auch solche, die 
sonst nicht allzu fromm gewesen waren, auf dem Totenbette „Buße taten“ und 
das Abendmahl empfingen). 
Wenn unsere Kirche mit diesen beiden Strafen durchaus auf dem Boden der 
katholischen Kirche blieb, so muß man sich doch wundern, daß selbst ein so unevan— 
gelischer Brauch wie das Inter dikkt in unserem Lande gelegentlich zur Aus— 
führung gekommen ist. 
Als etliche Leute im Kirchspiel Oldenburg ihre Quoten an Kirchengeldern nicht 
bezahlten und insonderheit mit dem den Kirchendienern gehörigen Kirchenkorn im Rückstande 
blieben, verordnete der Herzog Gottorf den J. Febr. 10560, daß, „wie bißhero gebräuchlich ge— 
wesen (), wider die Säumigen mit dem Kirchenrecht verfahren und weder ihre Kindelbetterinnen 
eingesegnet, noch ihre Toten vor richtiger Abtragung ihrer Kirchenschuld beerdigt werden 
jollten. Gestalten mit sothanen Kirchenrecht wider ein gantzes Dorf ()), obgleich einer oder 
der ander darin bezahlet, solange zu verfahren, bisß sie sampt und sonders ihre Kirchenschuld ab⸗ 
geleget haben“. Auf neue Klagen wurde diese Verorduung sogar noch 1003 erneuert ¶ Bu 
II, 42 f.). 
Von Anfang an war verordnet worden, daß einer solchen Kirchenstrafe allemal 
seelsorgerliche Vermahnungen vorhergehen sollten. So sagt schon 
die KO S. 55, daß der Bann nur über solche Sünder ausgesprochen werden solle, 
die „einmal edder twe vormanet syn“. Das Mahnverfahren wurde weiterhin zu 
einem förmlichen System ausgebaut. So verordnete Clüver in seinen Emendations⸗ 
artikeln: J. Ermahnung durch den Pastor, privatim; 2. desgl. in Anwesenheit des 
Diaconus und eines oder zweier Baumeister (Kirchenältesten) — das Erfcheinen 
9) Wie genau man kirchlicherseits es mit ihr nahm, zeigt ein Fall, der sich 1082 in St. 
Miqhaelis donn ereignete. Ein Knecht hatte in einer Kammer ein Fäsile in Vranntweins 
gefunden, der Frau den Schlüssel zwar abgeliesert, aber die Tür offen gelassen und sich dann 
am Branntwein tot gesoffen. Da er sonst ein ordentlicher Mensch gewesen, auch Kirche und 
Abendmahl besucht hatte, bat der Paster Petrus Rosenblum um Anweisung, ob er ihn nicht 
nit christlichen, gewöhnlichen Leichseremonien begraben dürfe. Die Visitatoren gaben darauf 
zu erkennen: der Knecht habe sich an einem unerlaubten Ort aufgehalten, die Frau betrogen, 
und sei ein Totschläger an seinem eigenen Leibe gewesen, deshalb ohne Gesang und Leichpredigt 
zu bestatten; jedoch weil er ein fleißiger Zuhörer des göttlichen Wortes und kein Verächter 
des heil. Abendmahls gewesen, könne „mit der einen Klocken ein Zeichen gegeben werden“.
	        
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