Full text: 1517 - 1721 (2)

Kirchenbaun und Kirchenbuße 
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sämptlick waken und beden, dat nicht de Sathan jemand under juw in syn Garne edder Stricke 
bringe und in ewige Verdömniß störte “). 
Die Lösung vom Banne, also die Wiederaufnahme in die Christenheit, geschah, 
wenn der Sünder genügende Zeichen der „Besserung“ gegeben hatte, durch die 
Kirchenbuße (Poenitentia ecclesiassstica). Diese war entsprechend der 
Art des Bannes entweder heimlich oder öffentlich. Die Lösung des heimlichen 
Bannes geschah demnach durch die heimliche Beichte und darauf erfolgte Ab— 
solution durch den Priester. Der feierliche, öffentliche Bann dagegen konnte nur 
durch „affen bare Buße“ (Poen. publica) gelöst werden. 
Diese eigentliche Kirchenbuße war mit peinlichen Formen umgeben. Nach der 
Predigt des Hauptgottesdienstes (an etlichen Orten während des ganzen Gottes— 
dienstes) mußte der Sünder (die Sünderin) vor dem „hogen Altar“ (KO S. 460) 
knien. Der Pastor trat vor den Altar und hielt, nachdem er in einer kleinen An— 
sprache die Gemeinde über den Fall orientiert hatte, mit dem Sünder eine öffent— 
liche Beichte: dieser mußte drei Fragen (1. ob er die begangene Sünde erkenne 
und bereue, 2. ob er Gott um Vergebung bitte, J. ob er sich bessern wolle und 
„diese Christliche Gemeine, die er mit seinem Falle geärgert habe, um Gottes 
willen um Vergebung bitte“) mit einem lauten Ja beantworten. Darauf sprach 
der Pastor folgende Mormaninge thom Volcke“: 
Dewile Gy denn nuu, leven Christen, hören und vörnehmen, dat dysse jegenwerdige Sünder 
sine begangene Sünde und Avertredinge erkennet und se hertlick berüwet, sick der Barmherticheit 
Gades und des dühren Vördeenstes Jesu Christi getröstet, sin sündlikes Leven henforder tho 
beteren anlavet und darneven biddet und begehret, dat ein jeder, welckeren he mit sinem Falle 
geergert, densülvigen ehme vörgeven wille: Als werde Gy sampt und sonders, in betrachtinge, 
dat Godt den Dodt des Sünders nicht begehret, sünder, dat he sick bekehre und leve, de Engele 
ock im Hemmel aver einen Sünder, de Vothe deit, sick fröuwen, und baven dem wy vnsem 
Negsten tho vörgeven schüldig sin, solckes gerne dohn und Godt neven my anropen, dat he sick 
möge wahrhafftigen bekehren und sin Leven beteren. Dat vörlehne ehme Godt umme Jesu 
Christi sines leven Söhns willen, dorch Krafft und Bystand des hilligen Geistes. Amen. 
Darauf wurde der Sünder mit feierlichen Worten absolviert und der Pastor 
schloß: „Staht up im Frede des Heren und sündiget vordan nicht mehr.““) 
Wenn ein Gebannter vor seiner Lösung vom Banne sterbenskrank wurde, 
durfte er auf sein Begehren vom Priester privatim absolviert werden und das 
Sakrament empfangen. Damit solches nicht in trüglichem Sinne, um der öffent— 
lichen Buße zu entgehen, begehrt werde, mußte der also heimlich absolvierte, wenn 
er wieder genas, in den gleichen demütigenden Formen wie bei der öffentlichen 
Buße öffentliche Deprecation leisten, d. h. durch den Mund des Pa— 
stors die „geärgerte“ Gemeinde um Vergebung bitten. (Formular hierfür bei 
Olearius 6, S. 22f.). 
Als eine mildere Form der Kirchenbusie bildete sich im Lauf der Zeit neben der 
„Altarbuße“ die „Kanzel bußße“ (Poen. e suggestu) aus. Diese bestand 
darin, daß der Pastor nach der Predigt die Sünde bezeichnete und strafte (Taxatio) 
und im Namen des Sünders die Gemeinde um Vergebung bat (Deprecatio). 
Dabei wurde noch der sehr wesentliche Unterschied gemacht, daß entweder der 
Sünder namentlich genannt wurde eder die Deprecation ohne Namennennung 
(Suppresso nomine) geschah. Es ist anzunehmen, daß vorher privatim die 
Absolution erteilt war. 
8) Dieselbe Formel hochdeutsch a. a. O. S. 18f. 
) Nach Waͤlther, III, 15 ff. Ebenso hochdeutsch bei Olearius.
	        
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