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B. 2, K. 5, 8 43. Erziehung zur kirchl. Frömmigkeit
nach Copenhagen gebracht und alda gezüchtiget werden, und doch
hernach, nach verflossener Zeit ohn das die besagte Kircheu Buße
zinen Weg als den andern ausstehen sohlen, sonder einige Wider⸗
»ede und Gefährde.
Erzwingung „herzlicher“ Reue und Busie und Sehnsucht nach dem Sakrament
durch Zuchthausstrafe! Höher konnte der Kirchenzwang des 17. Jahrhunderts
nicht getrieben werden. Es steht zu hoffen, daß nicht viele schl.-holst. Pröpste und
Priester von dem angebotenen königlichen Dienste werden Gebrauch gemacht haben.
Mit dem Tode des großen Klotz war es auch mit diesem übertriebenen Eifer,
der übrigens auf dem Gottorfer Gebiet, wenigstens bei der Regierung, nicht be—
standen zu haben scheint, vorbei, und die alte unserem Lande eigentümliche „Ge—
mütlichkeit“ trat wieder in ihr Recht. Dazu zeigten sich ganz eigentümliche, vom
Kirchenvolk selber ausgehende, und von den Predigern in Ansehung der Gebühren
nicht mit dem nötigen Ernst unterdrückt Mißbräuche der Kirchen—
disziplin. Der eine war die sog. Excommunicatio in casu incerto.
Diese bestand darin, daß, wenn jemand durch Diebstahl oder sonst beschädigt
worden war und den Täter nicht kannte, er den Pastor ersuchte, den unbekannten
Sünder (gegen Gebühren!) von der Kanzel aus zu bannen. Olearius Kirchen—
houch sagt 6, S. 19 davon: „Alle leichtfertige Bannsitten sollen von der Cantzel
oleiben“, gibt dann aber doch für schlimmere Fälle eine allgemeine „Bustver—
mahnung“, deren sich die Prediger bedienen dürfen. Ein anderer Misibrauch, war
der sog. Kanzelfluch: wenn jemand irgend eines Vergehens, als Zauberei,
Dieberei, Unzucht, verdächtigt wurde und den Verleumder nicht zu fassen kriegen
konnte, so bestellte er beim Pastor ein Kirchengebet, „worin dieser im Namen der
Gemeinde darum bitten sollte, daß der Bittsteller, falls er schuldig sei, von Gott
zeitlich und ewig gestraft und durch ein Zornzeichen gebrandmarkt werden möchte;
im Falle seiner Unschuld aber solle das gleiche seinen Verleumdern widerfahren“.
Beide Mißbräuche fand Chr. Kortholt so erheblich, daß er eigene deutsche Traktate
dagegen schrieb (Halfmann, Chr. Kortholt, S. 64). Die Gottorfsche Regierung
tadelte den „Kirchenfluch“ und verbot ihn 1073 gänzlich, weniger im Interesse
der Ehre Gottes, als weil durch solche „Selbstpurgierung“ der obrigkeitlichen
Untersuchung vorgegriffen werde.
Den schlimmsten Mißbrauch mit der Kirchenbuße übten indessen die Regierun—
gen selber, indem sie je länger desto mehr namentlich bei Sünden contra sextum,
die fast allein noch kirchendisziplinarisch gestraft wurden, die Ablösung der Altar—
zuße durch eine Geldbuße verfügten und die Angst vermögender Leute vor solcher
„Schande“ dazu benutzten, sie gehörig zu schröpfen. Damit war die Kirchen—
disziplin völlig durchlöchert und der traurige Rest, der von ihr noch ins 18. Jahr—
hundert hinüberging, blieb die Altarbuße für gefallene Mädchen (natürlich nur
ür arme!).
Fortan blieb der Geistlichkeit als Erziehungsmittel nur das von ihr verkündete
Wort der Wahrheit und das Exempel des eigenen Lebens. Sicher hatte beides
auch schon bisher stärker gewirkt als die so mangelhaft geübte „Kirchenzucht“.
543. Erziehung zur kirchlichen Frömmigkeit
Das erste Ziel der obrigkeitlichen Erziehung war, das Kirchenvolk
eestlos in die Gottesdienste zu bringen. Es läßt sich nicht leug—