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B. 2, K. 5, 9 43. Erziehung zur kirchl. Frömmigkeit
lich Ditmarschen (Bu. J, 1060 ff.), „daß gar viele wol gar außen bleiben ...
dagegen unter der Predigt lose Händel treiben: sauffen, rupfen (raufen), stehlen,
Holtz, Torff, Korn einsamblen und führen“).
In den Städten war es vielfach auch nicht besser. In Heiligenhafen z. B.
wurde der Sonntag mit Mahlen, Kornschiffen, Zuführung des Holzes, Kornes usw.
derart entheiligt, daß der Königl. Statthalter sich 1008 genötigt sah, „die Con—
travenienten mit Confiscirung ihrer einführenden Güter (so den Armen zugute
kommen sollten), auch arbiträrer Strafe zu bedrohen“.
In Clüvers Klage ist schon das zweite Moment bezeichnet, das auch damals,
wenn auch wohl nicht in dem Maße wie heute, das Kirchengehen hinderte, das
Vergnügen.
Meistens in unmittelbarer Nähe der Kirchen lagen die Krütge. Wenn der
Bauer am Sonntag ins Kirchdorf oder die Stadt gefahren kam, so mußte er in
einem Kruge ankehren, und die Genüsse, die ihn dort erwarteten, Bier, Wein,
Meth und Branntwein lockten ihn naturgemäß meistens stärker als der Gottes—
dienst. Die Bauern von Jellenbeke (Krusendorf) — so berichtet Fabricius —
gingen trotz größerer Entfernung zum Teil lieber in Gettorf als in Jellenbeke
zur Kirche, weil es dort besser Bier gab. Saßen die trinkfrohen Leute aber erst
m Kruge, so blieben sie, mochten sie auch Weib und Kind und Gesind in die
Kirche schicken, nur allzugern dort sitzen; versäumten also den Gottesdienst ent—
weder ganz oder stellten sich erst lange nach Anfang zu demselben ein.
Deshalb wurde, doch scheinbar mit geringem Erfolge, das Verweilen von
Gästen in den Krügen und das Ausschenken geistiger Getränke während der
Predigt von der Obrigkeit wiederholt strenge verboten. Die PoO von 1036 (C. R.
H. J, 296) droht sowohl dem Wirte wie dem Gaste bei Uebertretungen mit fünf
Taler Geldstrafe bzw. „unnachlässiger Gefängnüß““. Der Amtmann von Stein—
burg und Süderdithmarschen, Graf Pentz, verordnete 1642 (Bu. J, 65 f.), daß,
nachdem das zweite Mal geläutet sei, ein jeder ohne Aufenthalt zur Kirche sich
oerfügen solle, widrigenfalls Brüche oder sechs Stunden „Designation“ am Hals—
eisen.
Da der Sonntag für die Landleute meistens der einzige Tag war, an dem sie
zum Kirchdorf oder in die Stadt kamen, war es natuͤrlich, daß sie diesen Tag
auch benutzten, um sich mit den notwendigen Waren zu versorgen und somit die
Krämer ihre Buden am Sonntag besonders weit aufmachten. Damit dieser
Sonntagshandel, den man gänzlich zu verbieten doch mit Rücksicht auf
die bäuerlichen Bedürfnisse nicht wagte, den Besuch des Gottesdienstes nicht störe,
wurde wiederholt aller Verkauf „unter der Predigt“ verboten. So in der PO
a. a. O. S. 290. Noch 1001 mußte der Landvogt von Süderdithmarschen „das
Ausstellen und Verkaufen von Tabaks- und anderen Waren, auch Holz und Korn
bei den Kirchhöfen und sonsten auf dem Markt „während der Predigt“ verbieten.
Schlimmer noch als diese Kaufhändel bedrohten den sonntäglichen Gottesdienst
die Märkte und Kirchmessen, die von alters her vielfach gerade am
Sonntag gehalten wurden. In St. Margarethen und Vorsfleth wurde
noch im 17. Jahrhundert die Osterkirchmesse mit Jahrmarkt auf dem Kirchhof
gehalten und erst um 1050 der Jahrmarkt anderswohin verlegt. 1642 klagte der
Pastor von Brodersby, daß wegen des Markttages zu Eckernförde das Volk
) Für die Auffassung der Zeit ist es charakteristisch, daß in Dithmarschen für die „fremden
Arbeiter in der Ernte“ Sabbatsruhe nicht gebbten war. Bgl. Bu M IV, 1060.