Hindernisse des Kirchenbesuchs
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die Kirche versäume; eine ähnliche Klage kam aus einer Angelschen Gemeine be—⸗
züglich des Flensburger Jahrmarkts. Aber erst durch Königliche Verordnung,
Glückstadt, 8. Juni 1680 (C. R. H. J, 298) wurde die Abhaltung der Märkte
am Sonntag als „den Gottesdienst sehr profanierend“ verboten.
Wie ernstlich sich der christliche Polizeistaat des 17. Jahrhunderts bemühte, alle
Hindernisse des öffentlichen Gottesdienstes aus dem Wege zu schaffen, ersieht man
daraus, daß durch die PPo (a. a. O. S. 2960) sogar alles Reissen am Sonntag
von morgens bis mittags lahm gelegt werden sollte, indem geboten wurde, daß „in
den Städten die Tore, auf dem Lande aber die Kirchdörfer mit Schlagbäumen
versperret bleiben und, außer den Fremden und von abgelegenen Orten Durch—
reisenden, niemand mit Wagen und Pferd aus- oder — es sei denn, daß er zur
Kirche fähret — eingelassen, und dazu diejenige, welche ausgelassen, des wort—
haltenden Bürgermeisters Schein vorzeigen sollen, bei Strafe zehn Reichsthaler.
Alle wohlgemeinten obrigkeitlichen Verordnungen haben jedoch in diesem Stücke
ebenso wenig wie in vielen anderen etwas ausgerichtet: die Volksgewohnheit und
die Gleichgiltigkeit der Beamten machten sie wirkungslos. Daher bestehen am
Ende unserer Periode, um 1700 herum, noch wesentlich dieselben Hindernisse für
die allgemeine Beteiligung des Volkes am Gottesdienste wie an ihrem Anfang.
Sehr bezeichnend in dieser Beziehung ist das Mandat, welches die Herzogin Hedwig
Sophia im Jahre 1705 für das Großfürstliche Holstein erließ. Da wird geklagt, daß an
vorberegten Sonn und Feyertagen die Kirchenladen, Werckstätten, Tabernen, Schenck- und
Wirths⸗-Häufier nicht zugemachet, das umbtragen und umbfahren, auch außruffen, auch feil⸗
bieten allerhand wahren, auch sonsten vorfallende Handtirungen nicht eingestellet, sondern in
allem dem also verfahren werde, daß zwischen einem Sonn- und anderen Werckeltagen, in denen
mehresten weltlichen Geschäfften fast keiner oder doch gar geringer Unterschied, ja an solchen
tagen das übermäßige fressen und sauffen, spielen und darauß entstehende mehrere excessen und
Unordnungen am meisten zu verspüren ... wodurch Gottes des Allmächtigen Zorn und straffen
über das gantze Land gereitzet und gehäuffet wird“. Es wird daher geboten, daß die Kram—
jaden und Buden am Sonntag vor 4 Uhr Nachmittags nicht geöffnet und die Thore oder
Schlagbäume vormittags von 9 bis 11 und nachmittags von 2 bis 3 verschlossen gehalten
werden; am Vorabend sollen die Wirtschaften um 8 Uhr geschlossen werden.
2. Die Teilnahme am Gottesdienst.
Wenn wir nun fragen, wie sich bei all diesen Hindernissen einerseits und den
Geboten der Obrigkeit andererseits die Teilnahme des Kirchenvolkes an den Gottes—
diensten tatsächlich gestaltet hat, so ergibt sich aus den spärlichen Visitations—
berichten, welche wir aus der Zeit vor 1700 haben, daß der sonntägliche
Hauptgottesdienst, die frühere Hochmesse, im allgemeinen reichlich oder
jedenfalls in befriedigendem Maße besucht wurde. Dazu hat ohne Frage neben
den Brüchen, welche pflichtgetreue Hardesvögte über Draußenbleibende verhäng—
ten, und wohl mehr als diese die aus katholischer Zeit ererbte volkstümliche An—
schauung, daß die sonntägliche Teilnahme an der Messe zur Seligkeit notwendig
sei, beigetragen. Denn daß die protestantische Predigt die große Masse besonders
angezogen habe, darf man — von einzelnen rühmlichen Ausnahmen natürlich ab—
gesehen — bei den großen Mängeln, welche bis tief ins 17. Jahrhundert hinein
dem Durchschnitt der Predigten anhaftete, kaum annehmen.
War es bei freien Gemeinden ererbte Sitte, die einen guten Besuch
des Hauptgottesdienstes verursachte und garantierte, so war er in den Guts⸗-
gemeinden ganz von dem mehr oder weniger guten Willen und kirchlichen
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