Full text: 1517 - 1721 (2)

562 B. 2, K. 5, 9 45. Erziehung zur geschlechtl. Sittlichkeit 
nur jure humano, sondern jure divino verboten war, um so mehr ließen sich 
die Vertreter Gottes bezahlen '). König Christian IV. erlaubte sich sogar, ver— 
mutlich doch in fiscalischem Interesse, den Kreis der verbotenen Grade zu erweitern, 
indem er auch den vierten Grad lineae inaequalis dazu zog (1040); doch wurde 
diese Bestimmung von seinem Sohne Friedrich III. wieder aufgehoben (16040). 
Die Nachsuchung einer Dispensation ging an die Regierungskanzlei oder die Amt- 
männer; bis zum 3. Grad entschieden diese im Namen des Herren, was darüber 
hinausging, mußte immediateé eingegeben werden. Pastoren und Pröpste, bzw. 
Generalsuperintendenten wirkten als Berichterstatter oder Antragsteller dabei mit, 
aber irgendwie selbständig zu handeln war ihnen bei strengster Strafe verboten — 
auch eine Illustration zu der immer weiter fortschreitenden Säkularisierung ur— 
sprünglich „geistlicher“ Sachen. Vgl. Grassau s. S. 182 28. 
2. Die öfsentlichen Verlobungen blieben als Voraussetzung einer gültigen Ehe— 
schließung bestehen. Auch an dem Consensus der Eltern oder Vormünder, 
zu dessen Bekundung in erster Linie die öffentlichen Verlöbnisse dienen sollten, 
wurde strenge festgehalten. In der gem. Const. vom 20. September 1632 (2GO 
IV, Tit. 22) wurden diejenigen, welche sich ohne ihrer Eltern Willen in geheime 
Ehegelübde einließen, sogar mit dem völligen Verlust ihres Erbrechts bedroht. 
Andererseits wurden diejenigen, deren Eltern oder Vormünder ohne billige Ur— 
sache die Zustimmung verweigerten, angewiesen, vor den Gerichtsbehörden bzw. 
Konsistorien ihr Recht zu suchen. Was die Form der Verlöbnisse be— 
trifft, so wurden zwar die „Lövelbeere“, weil zu unmäßigen Zehrungen Anlaß 
gebend, von Johann Adolf 1001 verboten, jedoch die Gegenwart dreier Personen 
auf jeder Seite, im ganzen also von sechs Zeugen erfordert. Ebenso bestimmt die 
PO von 16360 (CRH I, 382 f.)*). Die Teilnahmedes Kirchherrn 
bei den Verlobungen ist zwar in der oben genannten königlichen Verordnung von 
1544 vorausgesetzt, und eine gleiche fiür das Amt Flensburg von 16006 bestimmt, 
daß alle Verlöbnisse „in der Kirchspiel-Kirchen, da die Braut ist“) öffentlich 
vor dem Altar nach geendetem Gottesdienst gehalten werden sollte, wobei der 
Geistliche gehalten war, sich nach dem Consens der Eltern und etwaiger Verwandt— 
schaft in verbotenen Graden zu erkundigen und Gelegenheit hatte, seelsorgerliche 
Ermahnungen hinzuzufügen. Aber das galt nur für den Königlichen Teil: aus 
Fabricius Berichten geht hervor, daß um 1640 weder die Feier in der Kirche, 
noch die Teilnahme des Priesters allgemein war“). Etliche adelige Patrone 
10) Es macht doch einen etwas eigentümlichen Eindruck, wenn ein Hüter des göttlichen Ge⸗ 
setzes, wie der GSe Hudemann 1671 auf ein Dispensationsgesuch antwortete: „Eine Dispen- 
sation in secundo gradu affinitatis lineae aequalis wird zum wenigsten ohne drei Roß— 
nobel nicht geschehen können.“ 
*20) Später begnügte man sich mit zwei Zeugen. (Callisen S. 163). 
2) Hier haben wir eine der ersten gesetzlichen Andeutungen des alten Gewohnheitsrechts, 
daß als regulärer Trauort das Kirchspiel, in dem die Braut wohnte, betrachtet wurde. 
.So fand man z. B., daß in Westensee, Lensahn, Lebrade, Bünsdorf und Rieseby die 
Verlöbnisse ganz nach alter Weise in den Häusern vollzogen wurden, in Bünsdorf auch ohne 
Hinzuziehung des Pastors. In Westensee wurde der Pastor nur zuweilen hinzugezogen. In 
debrade „fordert Pastor auf eine Zeit hernach Braut und Bräutigam sambt ihren Freunden 
in die Kirche und tut von dem heiligen Ehestande nützliche, heiisahme Erinnerungen“. In 
Selent und Schönberg ließ der Pastor die freienden Personen zu sich ins Haus kommen, ver⸗ 
hörte sie, und wenn nichts zu erinnern, wurden sie nebst Anführung allerhand diensahmer Er—⸗ 
innerungen von ihm sofort verlobet.“ In Lensahn hoffte der Pastor die Leute dadurch von der 
alten Sitte abzukehren, daß er sich selber mit seines Vorgängers Witwe in der Kirche ver— 
ioben liesi.
	        
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