Full text: 1517 - 1721 (2)

B. 2, K. 5, 9 45. Erziehung zur geschlechtl. Sittlichkeit 
Verhängnis ebenso geduidig hin wie die andern drückenden Verhältnisse ihres 
Standes ). 
4. Vorehelicher Geschlechtsverkehr. 
Der voreheliche Geschlechtsverkehr Verlobter, ob schon vor der Trauung offen— 
bar geworden oder erst durch die zu frühe Geburt des Kindes, wurde ursprünglich 
als „Hurerei“ angesehen und ohne Schonung mit öffentlicher Kirchenbuße, u. U. 
dazu noch mit obrigkeitlicher Strafe belegt. 
So wurde Haus Tietgens, leibeigener Unterthan Perdoels, wegen eingestandenen Bei—- 
schlafs 60 Wochen vor der öffentlichen Verlobung vom Pastor mit Deprekation von der Kauzel, 
von der Gutsobrigkeit mit 6 Rthl. Strafe, und da er dieselbe nicht erlegen konnte, mit 
14 Tagen Gefängnis belegt. Als das Konsistorium den Fall zu wissen bekam, verurteilte dieses 
ihn auch noch zur offenbaren Buße. Der Besitzer protestierte dagegen, aber vergeblich. (BudJ, 
503 ff.) 
Allmählich aber fand man, daß die Gleichstellung ehrlich Kopulierter mit ge— 
wöhnlichen Hurern und ihrer zu früh geborenen Kinder mit Hurenkindern der 
Wertschätzung des heiligen Ehestandes nachteilig sei, daß man deshalb in honorem 
matrimonii einen Unterschied machen müsse. GS Klotz scheint hier bahnbrechend 
gewirkt zu haben. Auf seine Veranlassung dekretierte Christian IV. (26. Oktober 
1037, bei BunJ, 442 f.): „Es sollen diejenigen, so ihre de praesente und 
öffentliche Verlobte beschlaffen oder schwängern, weil solches demnach ein Unter— 
scheidt ist von andern gemeinen stupris, zwar die öffentliche Kirchen Buß nach 
den Umständen () leisten, doch aber, die zu zahlen haben, mit gelde sich abzu— 
kaufen begnadet werden.“ Eine weitere Verfügung aus demselben Jahre (Const. 
VI., 117f.) praezisierte die „Abkaufung“ dahin, daß der Sponsus 3 und die 
sponsa 2 Rthl. an die Armenkasse auszahlen und königliche Brüche nach Ge— 
legenheit ihres Vermögens dingen sollten. Ferner bestimmte sie, daß die öffent— 
liche Kirchenbuße „unausbleiblich“ in die Kanzelbuße gemildert und, selbst wenn 
die Verlobte partui proxima sei und ihre Schwängerung nicht ableugnen könne 
(keine Kirchenbuße einzutreten habe, sondern nur) die Proklamation in eine schlechte 
(gewöhnliche) Deprekation cum voto pro divina benedictione verwandelt 
werden solle. Gottorf beschränkte 1064 (Const. V., 605) die Kirchenbuße auf 
solche Eheleute, wo die Frau vor dem 7. Monat niederkam. Im königlichen Gebiet 
kam man weiterhin sogar dazu, die Strafe genau nach der Zeit der vorehelichen 
Schwängerung zu differenzieren. Die Muͤnsterdorfer Synode dekretierte (zu 
Propst Cronhelms Zeiten, also zwischen 1678 und 1095): wenn die Ehefrau 
innerhalb 10 Wochen nach der Hochzeit niederkomme, solle es Kanzelbuße mit 
Namennennung, wenn binnen 20 Wochen, desgl. o hin e Namennennung geben, 
wenn aber später, solle in honorem matrimonii die Kanzelbuße gar nicht ge— 
braucht werden. In Verfolg dieses Prinzips wurde 1723 für das Herzogtum 
Schleswig einheitlich verordnet, daß wenn die Ehefrau unter 18 Wochen nach 
der Kopulation niederkomme, Brüche zu bezahlen und eine Kanzel. Deprekation 
ohne Namennennung stattzufinden habe, jedoch wenn nach 18 Wochen, alle Strafe 
wegzufallen habe. 
Um eine voreheliche Schwängerung möglichst zu verhüten, nahm' eine königliche 
Verfügung vom 16. März 16037 die alte Forderung der Münsterdorfer Synode 
?c) Von Hansühm berichtet Fabr. 1639: „Hurerey sol in diesem Kirchspiel sehr gemein 
sein, wie der Pastor zeuget, er hab innerhalb 7 Jahren 30 Huren Kinder getaufft.“
	        
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