Full text: 1517 - 1721 (2)

B. 2, K. 5, § 460. Kirche und Schule 
2. Verhältnis der Lateinschulen zur Kirche. 
Schon der Eifer, mit welcher unsere KO sich der Lateinschulen annimmt, be— 
zeugt, welch inniges Verhältnis gerade diese Schulen mit der Kirche (der Geist— 
lichkeit) verband. 
Diese Verbindung lag vielfach schon im Ur sprung dieser Schulen. Manche 
von den Lateinschulen unseres Landes werden schon im Mittelalter als kirchliche 
Anstalten bestanden haben. Aber auch da, wo sie nach der Reformation von der 
städtischen oder Landesobrigkeit neu gegründet oder neu belebt wurden, waren es 
zur Hauptsache ursprünglich kirchliche Mittel (eingegangene Vikariate und dergl.), 
durch welche die Gehälter der Lehrer gesichert oder verbessert wurden. 
Vor allem aber blieb der kirchlich-religiöse Charakter dieser 
Schulen, welcher im Mittelalter bestanden hatte, auch nach der Reformation 
durchaus bestehen. Kirchliche Frömmigkeit und antike Gelehrsamkeit in inniger 
Verbundenheit miteinander zu pflegen, das war auch für Luther und den „Schul—⸗ 
meister Deutschlands“, Philipp Melanchthon, die hohe Bestimmung der Latein— 
schulen. Die Schüler dieser Anstalten, die künftigen Pfarrer und Beamten des 
Staates nicht nur zu tüchtigen Gelehrten, sondern auch zu frommen Christen 
zu erziehen, war das Ziel dieser Schulen, um dessen willen sie nicht nur von 
der Kirche im engeren Sinne, sondern auch von den frommen, für das Seelen— 
heil ihrer Untertanen sich verantwortlich fühlenden Fürsten und Obrigkeiten ge— 
schätzt wurden. Neben der fremden Sprache nahm deshalb der Katechismusunter— 
richt, in den höheren Klassen schon mehr dogmalisch betrieben, einen Hauptraum 
im Unterrichtsplan ein. Daß man sie dadurch „gewöhne und halte zur heiligen 
Schrift“ (KO S. 159), dazu sollten die täglichen Schulgottesdienste mit ihren 
lateinischen Schriftlesungen und Katechismusrezitationen dienen. Auch in den 
praktischen Kirchendienst wurden die Schüler früh hineingestellt. Sie stellten die 
Chöre zur Leitung des Gemeindegesangs und zur Ausführung der z. T. noch 
lateinischen liturgischen Gesänge; die Musik, rein in Form der Kirchenmusik, 
wurde eifrig betrieben, und der Kantor war nach dem Rektor der wichtigste und 
geehrteste Lehrer. Auch die zu Leichenbegängnissen nötigen Knabenchöre hatten die 
Lateinschulen zu stellen. 
Ferner waren die Lateinschulen dadurch mit der Kirche verbunden, daß die 
Aufsicht über sie regelmäßig in der Hand des ersten Pfarrherrn und darüber 
hinaus des Propsten und des GSelag'?). 
Vor allem aber bestand zwischen den Lateinschulen und der Geistlichkeit eine 
sehr innige personelle Gemeinschaft. Die „Schulkollegen“ waren 
fast ausnahmslos Theologen, und für die meisten war der schlechtbezahlte und müh— 
von der Schule wegnehmen und einem nicht gelehrten Berufe zuführen möchten. Bei dieser 
Gelegenheit erfahren wir auch, daß als das normale Alter, in welchem man das Ziel einer 
— 
Universitätsstudenten damäls in der Regel viel jünger waren als heute, andererseits, dasß nach 
Absolvierung der heimischen Schule Zeit genug war, vor dem Beziehen einer Akademie noch ein 
besonders hochstehendes Gymnasium aufzusuchen. Ein „Abitur“ bestand nicht, und nicht wenige 
zingen im Zustande völliger Unreife auf die Universität, die jungen Adeligen in Beg'eitung eines 
„Hofmeisters“ — ein Veruf, der vielen tüchtigen, aber armen Theologiestudenten Gelegenheit ge— 
zeben hat, ausländische Universitäten zu besuchen und sich einen weiteren Gesichtskreis anzueignen. 
) Die erste Spur der später so wirksam werdenden Versuche, die höheren Schulen von der 
enaen Aufsicht zu emanzipieren, sinden wir Samuel Rachel (vgl. oben S. 149 und J⸗M 
, 62).
	        
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