Full text: 1517 - 1721 (2)

Die Lateinschulen 
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selige Dienst in pulvere scholastico nur ein Durchgangspunkt zur nahr— 
hafteren und bequemeren Pfarre — selbst Rektoren endeten gern als Dorfpfarrer. 
Sozial und rangmäßig standen die Schulkollegen weit unter dem Pastor. Der 
Dienst an den Lateinschulen war also so etwas wie ein „niederer Kirchendienst“ “). 
3. Kirchspielschulen und Dorfschulen. 
Auch auf dem Gebiet des Elementarschulwesens hat die Refor— 
mation prinzipiell nichts neues geschaffen. Das ergibt sich schon daraus, 
daß unsere KO in dieser Beziehung fast gar keine WVorschriften gegeben hat. 
Wohl aber hat die reformatorische Kirche bei der Weiterentwickelung des Ele— 
mentarschulwesens, die der Verbreiterung des geistigen Kulturlebens parallel geht, 
tapfer mitgeholfen. 
Vier Formen des niederen Schulwesens findet die Reformation vor: 1. Die 
Winkel- oder Klippschule, 2. die deutsche Lese- und Schreibschule, 3. die Kirch— 
—XI 
Von den ersten beiden Schularten ist nicht viel zu sagen. Die Winkel— 
schule ist mit Unrecht absolut verdammt worden. Sie ist nichts anderes als eine 
von solchen Eltern, welche ihren Kindern schon in früher Jugend das Lesen und 
Schreiben beigebracht wünschten, unterhaltene Privatschule, und insofern 
sicher uralt. Der Junker hielt sich einen Privatlehrer für seine Kinder und 
schickte seine Töchter da, wo eine solche in erreichbarer Mähe war, in eine Kloster— 
schule — solche waren nichts anderes als Privatschulen für Kinder aus erstem 
Stande. In den Städten suchten Männer oder Frauen, die mehr oder weniger 
gut das Lesen und Schreiben verstanden, ihren Erwerb damit, daß sie eine 
private Elementarschule aufmachten, und die Eltern, welche zur Haltung eines 
eigenen Privatlehrers nicht imstande waren, schickten ihre Kinder gern dahin. 
Wo nun das Bedürfnis nach elementarem Unterricht stärker wurde, nahm sich 
der Rat der Stadt der Sache an und gründete eine öffentliche städtische 
Lese- und Schreibschule. Solche waren noch keine Volksschulen im 
heutigen Sinne: sie standen nicht allen Kindern gratis offen, sondern erhoben ein 
Schulgeld. Die ganz Armen konnten ihre Kinder daher nur dann in solche Schu— 
len schicken, wenn die städtische Armenfürsorge das Schulgeld bezahlle, und das 
scheint man für besonders begabte arme Kinder gern getan zu haben. 
Die öffentlichen Schulen standen von Anfang an mit den privaten Winkel— 
schulen auf Kriegsffuß. Immer wieder wurden letztere von den Obrigkeiten ver— 
boten. Das war weniger ernste Fürsorge für die Bildung der Jugend, ent— 
6) Ob die innige Verbindung zwischen Kirche und Gelehrtenschule, zwischen Theologie und 
Humanismus der Kirche mehr zum Nutzen oder zum Schaden gereicht hat, bleibt für mich, 
trotzdem ich dadurch in den Ruf eines „Banausen“ gelangen könnte, eine offene Frage. Sicher 
ist es, daß die gelehrte Bildung der Pfarrer nicht dazu gedient hat, die Kirche volkstümlich 
zu machen. Wo nicht originale Begabung oder ernste und tiefe Frömmigkeit der „Gelehrtheit“ 
die Waage hielt, bestand die Gefahr, daß die Pfarrer im Stolz auf ihre Zugehörigkeit zu den 
„Gelehrten“ sich innerlich weit über ihre einfachen Geineindeglieder erhoben und sie als „rohen 
Haͤufen“ verachteten. Auch hat nicht zum wenigsten die gelehrte Bildung die Pfarrer dazu ver— 
führt, ihren Beruf weniger als den von Zeugen und Dienern Christi und vielmehr 
als den von Schulmeistern aufzufassen und das Evangelium mehr denn gut war als wissen— 
schaftlichen Lehrstoff zu behandeln. Wenn nur die rechte Herzensstellung vorhanden war, konnte 
einer von den vielen „einfältigen Dorf farrern“ sicher besser an seiner Gemeinde wirken als die 
hochgelehrten Herren, aus deren Studierstuben dicke Quartanten in die „gelebrte Welt“ hinaus— 
gingen.
	        
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