B. 2, K. 5, 5 46. Kirche und Schule
wohnungen das Schullokal der Gemeinde zur freien Verfügung?), sie stellte in
ihren Beamten die Lehrkräfte, welche den Schulunterricht nicht nur als Privat-
erwerb betrieben, sondern amtlich dazu verpflichtet waren und amtlich kontrolliert
wurden. Insofern sind die von der Kirche errichteten und unterhaltenen Kirch—
spielschulen ganz gewß die Hauptwurzel der späteren ländlichen
Volksschule“).
Eine Nebenwurzel der heutigen Volksschule haben wir in den Dorfschu—
lein (später Distriktsschulen genannt) zu erblicken. Diese sind nicht, wie die Kirch—
spielsschulen, aus religiös-kirchlichen, sondern rein aus kulturellen Motiven hervor—
gegangen. Wenn ich recht sehe, ist ihre Entstehung folgendermaßen allmäh—
lich vor sich gegangen:
Bessere Bauern, die für ihre Kinder wenigstens die Künste des Lesens und
Schreibens wünschten, taten sich zusammen, um für den Winter auf gemeinsame
Kosten eine bescheidene Lehrkraft, etwa einen begabten Bauernknecht, zu mieten
und ·zu unterhalten. Ein Genosse gab das Lokal für den Unterricht her, ein
anderer Kammer und Bett, die Beköstigung des „Schulmeisters“ ging bei den
Genossen reihum (der „Wandeltisch“), die Barbesoldung war sehr gering. Auf
dieser Stufe entisprach die Dorfschule den Klippschulen in der Stadt. Sie war
absolut Privatinstitut und wurde als solches von den Genossen eifrig gegen
obrigkeitliche „Anmaßungen“ des Pastors verteidigt. Hier und da fanden sich
auch weibliche Lehrkräfte; diese aber werden regelmäßig von ein—
heimischen Frauen oder Witwen gestellt worden sein“) und auch die weibliche
Jugend betreut haben. Solche Privatschulen entstanden naturgemäß am ersten
in geschlossenen Dörfern größerer Kirchspiele, die zum Kirchort einen weiten Weg
hatten.
Wenn nun diese Institution sich längere Zeit, vielleicht durch Generationen
hindurch bewährt hatte, wurde aus der Privatschule eine öffentliche, d. h.
von der Dorfgemeinde durch zwangsmäßige Abgaben unterhaltene Anstalt. Auch
so blieb es an vielen Orten noch bei der Winterschule und einer gemieteten Lehr—
kraft, an manchen aber schritt man dazu fort, eine feste Lehrkraft anzustellen,
ein Schulhaus zu bauen und dem Schulhalter ein Stück Land anzuweisen. Solche
eigenthichen Dorfschulen scheinen im Laufedes 17. Jahr—
hunderts an vielen Orten entstanden zu sein“).
20) Die ältesten Dorfschulen unseres Landes sind, wie noch heute zu spüren ist, die mit einem
Schulraum ausgestatteten einstigen Kaplans- oder Küsterwohnungen. *
2u) Es scheint schon im Mittelalter üblich gewesen zu sein, daß für den Katechismus- und
Schulunterricht jeweils die geringsten Glieder des Klerus verwendet wurden. Ebenso war es
nach der Reformation: wo ein Kaplan war, mußte dieser die Schularbeit tun, wo aber kein
Kaplan vorhanden war, musite man zu dem unstudierten Küster greifen, daher die KO (S. 83)
die Forderung erhebt, daß künftig nur solche Küster angestellt werden sollen, die wenigstens
imstande seien, den Katechismus „van sich tho leren“. Vgl. hierzu oben S. 393. Die Pflicht,
Schule zu halten, hörte für die Kaplane (Diakonen) erst auf, nachdem sich im 17. Jahrhundert
ihre soziale Stellung gehoben hatte. Erst seitdem finden wir neben und unter ihnen Küster—
Schulhalter, die Kirchspielsschule wird rein zur Küsterschule.
12) Solche „Schulmeisterinnen“ sind bei Fabr. bezeugt, z. B. in Selent, Schönberg, Gettorf.
Ferner in Matzwitz: dort unterrichtete die Schulfrau die Kinder bis zum 9. Lebenssahre. Im
Kreise Steinburg noch 10809.
18) W. Jensen hat Bu M. 8, 1ff. von der Errichtung einer Bauerschaftsschule zu Nortorf
in der Wilstermarsch, die schon 1576 vor sich ging, berichtet. Das war gewisi die erste Ordent
lisch e Dorfschule, von der wir bis jetzt wissen; daß auch vorher schon Dorfschulen als Winkel—
und Privatschulen bestanden, ist sicher anzunehmen.