Full text: 1517 - 1721 (2)

Die Fremdgläubigen und die Obrigkeit 
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Wie schon während der Reformationszeit unsere Kirche gegen jedes Paktieren 
mit der frühtäuferischen Richtung energisch Front gemacht hatte, so suchte sie sich 
auch weiterhin gegen den fremden Einstrom zu wehren. Und während des 10. Jahr- 
hunderts ging die staatliche Obrigkeit darin noch mit der Kirche Hand in Hand. 
Die Gesetzgebung dieser Zeit protlamiert noch kräftig die religiöse Einheit des 
Landes. So handelt Artikel II des Ditmarscher Landrechts von 15607 
„van den Wedderdoppern, Sacramentierenden und andern inschlickenden ver— 
oörischen Secten“ und gebietet, daß Einheimische und Ausländische, welche falschen 
Schwärmereien anhängig, von der Obrigkeit den Pastoren angezeigt werden sollen. 
Wenn diese sie nicht von ihrem Irrwahn bekehren können, sollen sie ohne weiteres 
des Landes verwiesen werden. Wer für falsche Lehre Propaganda macht und auf 
des Landvogts Befehl nicht sofort das Land verläßt, soll gefänglich eingezogen 
und dem Landesherrn zu weiterer Bestrafung angezeigt werden. In dem Mandat, 
durch welches König Friedrich II. seine „Fremdenartikel“ einführte (20. 
September 1569), und das auch für den königlichen Anteil unseres Landes galt, 
wird verordnet, daß jeder Fremde, der in den königlichen Ländern Wohnsitz und 
Bürgerrecht begehrt, vom Ortsprediger examiniert werden soll. Nur wer die 
„Artikel“ gutwillig unterschreibt, darf im Lande bleiben. Das Eiderstedter 
Landrecht von 1591 enthält die gleichen Bestimmungen wie das Ditmarscher, 
azuch die Husumer Polizeiordnung. 
Die fremden Religionsverwandten waren also in einer üblen Lage. Es gab 
nur zwei Möglichkeiten für sie: entweder sich der herrschenden Religion äußerlich 
zu akkomodieren und damit ihr Gewissen zu beflecken oder wieder auszuwandern. 
Freilich war in unserm Lande die Praris milder als das Gesetz, und wenn nur 
der nötige Backschis bezahlt wurde, drückte die Obrigkeit gerne ein Auge zu— 
Ja, es kam um die Wende des 17. Jahr hunderts zu staatlichen 
Veranstaltungen, welche die religiöse Einheit des Staates zwar nicht aufhoben, 
aber doch durchlöcherten. Während die Geistlichkeit — pflichtgemäsßt — sich jeder 
Tolerierung fremden Glaubens widersetzte, siegte bei den Fürsten in dem Wider— 
streit der Pflichten — einerseits die religiöse Einheit ihrer Untertanenschaft auf— 
rechtzuerhalten, andererseits die mit dem eigenen Interesse wesentlich zusammen— 
fallende Pflicht fir das Wohl des Staates zu sorgen — die Staatsraison. Die 
Eingewanderten waren durchschnittlich nicht arme Leute, sondern brachten Geld 
ins Land, entweder als Kapitalisten oder als geschickte Handwerker, Kaufleute 
oder Deichbauer. Das Staatsinteresse gebot also ihnen den Aufenthalt im Lande 
ohne Bedrückung und Gewissensnöte angenehm zu machen. 
In diesem Sinne ist in unserm kleinen Lande früher und reichlicher als in vielen 
andern deutschen Territorien die Maßregel getroffen worden, daß man für die 
fremden Religionsverwandten religiöse Freistätten schuf, sturmfreie 
Burgen s. z. s. in welchen sie unangefochten ihres Glaubens leben und ihre ab— 
weichenden Zeremonien üben konnten. Als solche Freistätten erscheinen in unserer 
Periode Altona, Glückstadt, Friedrichstadt, Neu-Nerdstrand und Neu-Rendsburg. 
Wir werden die Entstehung derselben und ihre Entwicklung weiter unten im 
tinzelnen besprechen. 
An diese Maßnahme knüpfte sich nun im Laufe des 17. Jahrhunderts eine 
Gesetzgebung an, welche zwar lokal und in bezug auf die verschiedenen Re— 
ligionsparteien mannigfach verschieden war, bei der man aber doch folgendes als 
alslgemeine Zünge feststellen kann:
	        
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