Zur Geschichte der Taufgesinnten
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Propst Kruse und einige eiderstedtische Geistliche, auf der anderen als Angeklagte
etliche Wiedertäufer, deren unerschrockener und gewandter Führer Johann
Claußen Coodt aus Tönning war. So milde und geschickt auch Fabricius
die „Irrtümer“ der Wiedertäufer zu widerlegen suchte, blieben diese doch auf
ihrem Stück. Auf den von der Kommission eingereichten Bericht verfügte Jo⸗
hann Adolf unter dem 10. Nov. 1008, daß alle Wiedertäufer, sofern sie
nicht immittelst ihre Meinung ändern würden, bis Pfingsten nächsten Jahres
aus den Eiderstedtischen Landen sich hinwegmachen sollten. Der scharfe Ton der
herzoglichen Verfügung entspricht weder der sonstigen toleranten Art des kalvi—
nistischen Fürsten, noch der christlichen Milde, die er erst im Anfang des Jahres
gezeigt hatte: er hatte nämlich, da die Tönninger einen neuen Friedhof an—
gelegt und die Wiedertäufer von dem ehrlichen Begräbnis hatten ausschließen
wollen, auf eine Bittschrift J. C. Coodts hin ernstlich befohlen, daß
niemand, „der sich zum Glauben an Gott bekennte und durch unsern Erlöser
Jesum Christum verhoffte selig zu werden“, von einem christlichen Begräbnis aus—
geschlossen werden dürfe. Aber jene strenge Verfügung kam auch nicht zur tat—
sächlichen Ausführung, sei es, daß die Wiedertäufer, dem Rat David Joris fol—
gend, sich äuserlich der Landeskirche anbequemten, oder daß Coodt, der sich als
geschickter Deichbauer dem Herzog mmentbehrlich machte, seinen Einfluß zu Gunsten
seiner Glaubensgenossen geltend machte. Jedenfalls erhoben die Eiderstedter Wie—
dertäufer, denen die Abweichung des Fürsten von der landeskirchlichen Lehre wohl
bekannt war, in den nächsten Jahren ihre Häupter desto höher, riefen holländische
Prediger ins Land und hielten ganz öffentlich unter starkem Zuspruch auch seitens
der Glieder der Landeskirche ihre gottesdienstlichen Versammlungen. Das be—
unruhigte nicht nur die Geistlichkeit, sondern auch den Staller und die Landes—
bevollmächtigten so sehr, daß ersterer etliche Führer der Wiedertäufer in Haft
nehmen ließ und in Gemeinschaft mit Propst und Bevollmächtigten eine überaus
dringliche Bitte an den Herzog ergehen ließ, diesem Unwesen zu steuern. Sie
erinnerten an das Blutbad in Münster und schilderten in übertriebenster Weise
die staatsgefährlichen Folgen, die sich aus fernerer Duldung der Wiedertäufer er—
geben könnten. Der Herzog befahl unter dem 15. August 1014, die Gefangenen
loszulassen: sie sollten in Gottorp erscheinen und sich dort verantworten. Sie
wurden am 19. August 161 4 in Gottorp vor dem Kanzler und einer Kom—
mission von Hofräten (unter ihnen auch dem kalvinistischen Generalpropsten Ph.
Caesar) in freundlichster Weise verhört, worauf ihnen gnädig die Heimreise ge—
stattet wurde. Sie baten die ihnen vorgelesenen Beschuldigungen schriftlich wider—
legen zu dürfen, was ihnen auch gestattet wurde. Die ausgezeichnete „Wider—
legung“““) aus der Hand dreier holländischer Prediger im Verein mit der Tat—
sache, daß der Herzog nunmehr ganz in den Händen seiner kalvinistischen Berater
war, wirkte dahin, daß die fürstlice Resohution vom l. Dezember
1614 in ganz anderen Bahnen ging als diejenige von 1008: es wird zwar den
Beklagten ernstlich verboten, ihre irrigen Opinionen heimlich oder öffentlich aus—
zubreiten, im übrigen aber sollen sie, da und insofern sie still und ehrbar ihre
bürgerliche Handtierung treiben und der landesfürstlichen Obrigkeit Gehorsam
) Sie ist von R. Hansen (II, S. 355-309) zum Abdruck gebracht. In wunderlichem Hol⸗
iändisch-Deutsch geschrieben, wirkt sie durch die Wucht der Wahrheit. Ueberzeugend weist sie
staatliche Ungefährlichkeit der Taufgesinnten nach und führt in ganz moderner Weise der Re—
aierung die Möglichkeit und den Vorteil der Duldung verschiedener Konfessionen in einem
Lande vor Augen.