Der David-Joritenprozeß 1642
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welches die äußerlich zur Landeskirche sich haltenden Joriten über ihre Gesinnung
breiteten, brachte es mit sich, daß kein spezielles Verbot gegen sie erging. Dennoch
ist es in unserm Lande zu einem speziell gegen diese Richtung geführten Lehr—
prozeß gekommen.
Die in Eiderstedt angesiedelten Taufgesinnten kamen infolge ihrer Tüchtigkeit
und Mäßigkeit bald zu großsem Wohlstand. Die Sorgen des Mammons, die
Mötigung obrigkeitliche Aemter anzunehmen, die Verschwägerung mit den Ein—
heimischen führten auch solche, welche sich zunächst der Friedrichstädter Gemeinde
angeschlossen hatten, sehr schnell dazu, der Gemeinschaft den Rücken zu kehren
und in der Landeskirche aufzugehen. Das hinderte indessen nicht, dasß die an—
geerbte kritische Stellung zu der landeskirchlichen Geistlichkeit sich ebenso in den
Familien erhielt, wie die erbaulichen Bücher, aus denen einst in den Zeiten der
Verfolgung die frommen Väter Lebenskraft gesogen hatten. Unter dem ererbten
Bücherschatz aber befanden sich auch manche Traktate des großen Erzketzers, und
hin und wieder gab es Leute, die sich noch daran erbauten und in kritischen Be—
merkungen ihre Herzensgesinnung offenbarten, vor allem, wenn das qute Husumer
Bier die Zungen gelöst hatte ).
Aus solchen Momenten erwuchs der grose David-Joritenprozeß
von 1642.
Veranlasser desselben war der scharf orthodore, von dem großen Dogmatiker
Johann Gerhard in Jena geschulte Johannes Moldenit, Propst in
Tönning. Wie er selber die davidjoritische Ketzerei auf der Kanzel gar oft und
scharf vornahm, so veranlaßte er auch seine eiderstedtischen Amtsbrüder zu gleichem
Vorgehen. Durch diese Predigten wurden einerseits die Eingeborenen gereizt, die
mit Neid betrachteten wohlhabenden „Holländer“ anzurempeln und zu beleidigen,
was dann mit polizeilichen Brüchen geahndet wurde; andererseits erweckten sie bei
den heimlichen Davidjoriten desto stärkere Abneigung gegen die „Pfaffen“. Als
ein Gerritz Dow, Bürger zu Tönning, in der Trunkenheit sich allerlei üble
Reden erlaubte, wurde er gefänglich eingezogen und durch die „Territierung“ (Vor—
zeigung der Folterwerkzeuge) so stark eingeschüchtert, daß er eine ganze Reihe von
heimlichen Davidjoriten namentlich angab. Von den so und anders als verdächtig
Bezeichneten vereinigte sich eine Anzahl angesehener Bürger zu einer Bittschrift
an den Herzog, in welchem sie um Schutz gegen die ungerechtfertigten Angriffe
ersuchten. Herzog Friedrich erteilte den Petenten einen Schutzbrief, ordnete aber
andererseits auf Drängen des Propsten an, das alle verdächtigen Bücher beim
Staller oder Propsten abgeliefert werden sollten (K. Mai 16042). Die Beschul—
digten baten selber um Einsetzung einer Kommission zur Feststellung ihrer Un—
schuld. Der Herzog gab auch dieser Bitte nach, und es wurde eine fürstliche
Kommission, bestehend aus dem Kanzler Kielmann, dem GS Fabricius d. J.,
dem Staller und dem Propsten eingesetzt, welche am 24. Mai und 28. Juli in
Tönning mit den Angeschuldigten verhandelte. Diese waren sehr hartnäckig. Sie
überreichten ein vermeintlich (und trotz Moldenits inquisitorischer Spitzfindigkeit
auch tatsächlich) orthodores Glaubensbekenntnis und blieben dabei, treue Glieder
der Kirche zu sein, weigerten sich aber den Davidjoritismus zu „verschwören“, da
sie damit sich selber ungerechter Weise desselben bezichtigen würden. Die scharfen
Anklagen des Propsten erwiderten sie mit neuen Bittschriften. Der Herzog, der
) Eine offene begeisterte Anhängerin Joris war, wie berichtet, A. DO. Hovpers (ovgl. oben
S. 298 ff.).