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B. 2, K. 6, 6 50. Die religiösen Freistätten
In der Tat wurden fortan nur die Jansenisten als die zur öffentlichen Ausüübung
ihrer Religion Privilegierten angesehen und nur ihnen erlaubt, die Taufen, Be—
erdigungen und Kopulationen zu vollziehen. Die Römischen empfingen die öster—
liche Kommunion in Friedrichstadt; die zu der Reise nicht fähig waren, kom—
munizierten im geheimen in der Kapelle des Oratoriums. Erst 1703 wurde den
Oratorianern gestattet, den Sterbenden die Sakramente zu spenden.
Diesen Zustand, daß eine vom Papste exkommunizierte Gemeinschaft von der
lutherischen Obrigkeit als römisch-katholisch bezeichnet und vermöge dieser Eigen—
schaft mit Privilegien bedacht wurde, konnte die katholische Kirche naturgemäs
nur mit stetem stillen Protest dulden. Doch wurde der stille Protest gelegentlich
zu einem öffentlichen; so, als der Bischof von Hildesheim im Jahre 1793 gegen
die Wahl eines jansenistischen Pfarrers auf Nordstrand förmlich Einsprache erhob.
Erst durch ein landesherrliches Restript vom 5. Dezember 18260 erhielten auch
die Priester an der Kapelle das Recht, Tauf- und Kopulationshandlungen vorzu—
nehmen. Aber erst unter der Preußischen Regierung, im Jahre 18607, konnten
die Römisch-Katholischen zum Bau einer Kirche schreiten und eine regelrechte
katholische Pfarrgemeinde aufrichten. Heute steht die Katholische Kirche auf Nord—
strand in guter Blüte: sie unterhält u. a. ein katholisches Krankenhaus, an welchem
graue Schwestern wirken, die Pfarrgemeinde zählt ca. 400 Glieder. Die jan—
senistische Gemeinde dagegen, die sich neuerdings an die Deutschen Altkatho—
liken angeschlossen hat, stirbt allmählich aus: sie zählt noch etwa 20 Glieder.
Trotzdem genießt die Theresienkirche neben der lutherischen zu Odenbüll noch heute
das Privilegium von der Landschaft Nordstrand unterhalten zu werden. Über
das Eigentumsrecht an den einst dem Oratorium gehörenden Gütern auf Nord—
strand ist im 19. Jahrhundert jahrzehntelang bis in die höchsten Instanzen pro—
—
5. Die Königliche Freistatt Rendsburg-Neuwerk.
Rendsburg. Als um 16090 die Festung Rendsburg erweitert wurde und in dem
sog. „Neuen Werke“ ein ganz neuer Stadtteil entstand, wurde in diesem „allen und
jeden fremden Religionsverwandten, wie auch den Juden, darin zu bauen und sich
niederzulassen zugestanden“, jedoch ohne das Privileginm öffentlichen Gottes—
dienstes. Juden siedelten sich auch verhältnismäßig zahlreich an und hielten ihren
Gottesdienst in einem Privathause. Katholiken gab es hauptsächlich nur in der
Garnison. Diesen wurde unter besonderen Beschränkungen zugestanden, einen
Laienpriester (keinen Ordensgeistlichen) am Orte zu unterhalten (1757), es scheint
jedoch, daß von dieser Erlaubnis nicht Gebrauch gemacht wurde. Vielmehr wurde
während dieser Periode lediglich von den Glückstädter Geistlichen hin und wieder
in einem Privathause Gottesdienst gehalten. Erst 1871 ward eine regelrechte
katholische Gemeinde errichtet.
v) Literatur zu Nordstrand: Heimreich, nordfresische Chronik. Matthiae a. a. O.
S. 330 3360. Acta cclesiastica Bd. VII (1744, S. 88- 113. 447 -468),
Bd. XIX (1755, S. 149 - 202). Außerordentlich klar und gut, auch in geichichtlicher Be—
ziehung, ist das für den oben genannten Prozest von Bischof Höting in Osnabrück verfasite
und als Manuskript gedruckte Gutachten: Geschichte und Rechtsverhältnisse des Oratoriums auf
MNordstrand. Osnabrück 1888. Weitere Literatur s. b. Wittt, Quellens. 8. v. „Nord⸗
strand“.