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Bd. 1, 9 4. Melchior Hoffmann
Aufenthalt dort weiter keine Nachrichten. Daß er nicht freiwillig die Stadt verließ,
oielleicht gar tatsächlich dort Unruhe gestiftet hat, geht aus seinem eigenen Bericht
im „Dialogus“ hervor: „Dan die obersten regenten von Lübeck ganz hart auch nach
seinem halß, blut, leib und Leben stunden, aber got dem selben kürßner durch alle
seine feinde halff.“
Den Lübecker Gefahren entronnen, kam Hoffmann auf holsteinisches
Gebiet. Hier war ja der evangelischen Predigt schon länger freier Lauf gelassen?),
und man darf annehmen, daß er zunächst auf eigene Hand hier und da das Evan—
gelium gepredigt hat.
Im Mai 1527 begab er sich über Magdeburgnach Wittenberg,
vermutlich um die lutherischen Autoritäten von der Richtigkeit seiner eschatologischen
Anschauungen und von dem profetischen Berufe, den er sich selber für die „letzten
Tage“ anwies, zu überzeugen. Er ging zunächst Amsdorf in Magdeburg an,
Diesem hatte Luther') aufgrund der bei ihm eingelaufenen Beschwerden den Rat
gegeben, den „livländischen Profeten“ nicht zu freundlich zu empfangen. Solchem
Rate folgte der äußerst selbstbewußte und zornmütige Kirchherr von Magdeburg
nur allzu willig. Er wies dem Kürschner mit hochmütigen Worten die Tür und
befestigte diesen in seiner Ueberzeugung, daß die Gelehrten gar nicht imstande seien,
das Schriftwort richtig zu erfassen. Ja, Amsdorf hielt es für nötig, seine Gemeinde
vor dem falschen Profeten zu warnen“). Er tat es mit gut lutherischer Grobheit
und scheute sich nicht, den Pelzer als einen „schwarzen Teufel“ zu bezeichnen.
Aber auch in Wittenberg wollte man seine „Träume“ nicht anerkennen.
Er fühlte sich von „seinen Wittenberger Lehrern“ beleidigt und verachtet und zog
voll heftigen Unwillens lindignabundus, Luther) wieder gen Norden. In
Magdeburg traf ihn, wie er vermeint, nicht ohne Amsdorfs Zutun, das
widrige Geschick, ins Gefängnis geworfen und seiner Habseligkeiten beraubt zu
werden. Ueber Hamburg ging es nach Kiel.
2. Melchior Hoffmann in Kiel, 1827- 29.
Während seines Aufenthaltes in Kiel hat Hoffmann sich als „ßöniglicher
Würden gesetzter Prediger zum Kyll im lande zu Hol—
ste in“ bezeichnet. Ueber die Bedeutung dieses Ausdrucks ist man sich, wie mir
scheint, nicht überall recht klar geworden. So halte ich es für ausgeschlossen, daß
ihm eine vakante Capellanstelle in Kiel übertragen worden oder daß er als eine
) Ueber die Verbhältnisse unseres Landes zeigt zur Linden sich nicht völlig unterrichtet. So
wenn er S. 106 von dem angeblichen Toleranzedikt spricht und S. 107, Anm. meint, daß der
Koönig vor dem Reichstag zu Odense (15. Aua. 1527) einen evangelischen Prediger anzustellen
nicht gewagt haben würde.
85) In seinem Briefe vom 18. Mai 1527 (Enders VI, 51. W. A. 4, 211) heisßt es:
Melchiorem illum prophetam Livoniensem. si venerit, ne suscipias amice neque
fumiliariter. Passus sum serias literas ob meum testimonium, quod illi stultus et
deceptus dedi. Nam hoc fretus coepit illic ipsos praedicatores superbire et
contemnere. Prorsus mihi displicet homo et spiritus ejus, qui ingressus et non
vocatus insanit, ambulans in mirabilibus supra se. Si venerit, jube eum suae
vocationi h. e pellisicio vacare et aà prophetando vacare cessareque, donec in
ecclesiam admissus fuerit auditus et judicatus. Was Luthern an Hoffmann mißfiel,
war also bis dahin noch keine Irrlehre, sondern seine Unbescheidenheit, mit der er sich, nicht
rite vocatus, selber zum Profeten aufwarf.
) Durch eine kleine Schrift: „Ein vormanung an die von Magdeburg, das sie sich vor
falschen Propheten zu hüten wissen.“