Bd. 1, 9 4. Melchior Hoffmann
zu bestimmen“). Ob nach dem Abzug Prawests die Absicht bestand, Hoffmann selber
oder einen andern zum Pfarrer zu machen, ist nicht bekannt, kommt auch nicht in
Betracht. Hoffmann hatte jedenfalls so viel gewirkt, daß man keinen altgläubigen
Pfarrer wiederhaben wollte. Nach Hoffmanns ganzer Einstellung ist zu vermuten,
daß er in den „besseren“ Kreisen der Bürgerschaft sich durch seine rücksichtslosen
Bußpredigten unbeliebt machte, dagegen bei den „kleinen Leuten“ durch seine echt
oolkstümliche Verkündigung sich einen starken Anhang schuf.
Er war also der erste wirksame Verkünder des Evan—
geliums sin Kiel und hätte als solcher bei all seinen Absonderlichkeiten sicher
in großem Segen wirken können, wenn er nicht auch hier seinem unseligen Drang
zu derber Polemik allzusehr nachgegeben hätte.
Es war vor allem Mic. Amsdorf, mit welchem er in eine heftige Fehde
zeriet. Dieser hielt sich im Mai 1528 in Hamburg auf (zur Linden, S. 120),
und was er dort von der Wirksamkeit des Profeten hörte, ward ihm Anlaß, ebenso
wie früher seine Magdeburger Gemeinde, nun die holsteinische Kirche vor dem Ver—
führer zu warnen. Er veröffentlichte eine (verloren gegangene) Streitschrift mit
dem Titel: „Das Melchior Hofmann ein falscher Prophet und seine Leer vom
Jüngsten Tage unrecht, falsch und widder Gott ist; an alle Heilige und Gleubige
an J. C. zum Kiel und ym gantzen Holstein.“ Er bekämpfte hier insbesondere
Hoffmanns Versuch, die Zeit des jüngsten Tages (innerhalb 7 Jahren nach 1526)
zu bestimmen. Diese in grobem Tone gehaltene Schrift sowie wahrscheinlich noch
eine weitere gaben Hoffmann Anlaß zu zwei Streitschriften gegen
Amsdorf, in welchen er auf den groben Klotz einen noch gröberen Keil setzt.
Die eine will auf hochdeutsch beweisen, „daß Niclas Amssdorff, der Magdeburger
Pastor ein lügenhafter falscher Nasengeist sey“, die andere auf plattdeutsch, „dat
Nicolaus Amsdorff der Meydeborger Pastor nicht weth, wat he setten, schriuen
edder swetzen schal, darmede he syne lögen bestädigen möge““).
Eine positive Frucht seiner Kieler Wirksamkeit war eine neue apokalyp⸗—
tische Schrift, welche außer der bei Krafft S. 440 ff. erhaltenen Vorrede
leider verloren gegangen ist. Der Titel lautet: „Dat erste Capitel des Evangelisten
St. Mathäus, geprediget unde uthgelecht thom Kyll dorch M. Hoffmann ete.“.
Weder die hier erneuerten eschatologischen Phantastereien, noch die erbitterten
Kämpfe mit dem Magdeburger Ketzerrichter werden Hoffmann viel geschadet haben.
In bezug auf erstere war der Wittenberger Heros ziemlich tolerant, folange sie nicht
das Evangelium aufhoben, und grobe theologische Polemik war man gewohnt.
Was Hoffmanns Stellung in Kiel erschütterte, war, daß sich eine immer stärker
werdende Feindschaft einheimischer holsteinischer Theologen wider ihn erhob.
Schon Ende des Jahres 27 machte Schuldorp allerlei Mitteilungen über
Hoffmann nach Wittenberg, die den Reformator sehr bedenklich stimmten. Schon
erwog er, die Kieler gelegentlich vor dem Profeten zu warnen'“).
Diese Gelegenheit kam Anfang 28, durch einen Brief, den der Pfarrer Wil—
helm Prawesst an Luther richtete“). Es war ein schlauer Schachzug dieses gut
katholischen Mannes. Daß der König den ihm so unangenehmen Konkurrenten
) Chronik des Asmus Bremer, hrsg. von Moritz Stern, Kiel 1916, S. 484.
) G. Ficher hat das Verdienst, diese beiden Schriften in genauem Abdruck uns zu—
zaͤnglich gemacht zu haben (Schriften des VESHKG, 4. und 5. Sonderheft).
o) Brief an Amsdorf vom 30. Dei. 1527 bei Ehlers, V, 283. (W. A. 4,311). Hier macht
duther die für die Kämpfernatur Hoffmanns sehr charakteristische Bemerkung, er sei „ein
Mann, der nicht zur Ruhe kommen könne, wenn er sich nicht irgend eine Unannehmlichkeit bercite“.
11) Ebenda VI. 210 nech Krafft S. 4460. Weimarer Ausgabe, Briefwechsel Bd. 4, S. 381.