Full text: 1517 - 1721 (2)

Bd. 1, 9 4. Melchior Hoffmann 
zu bestimmen“). Ob nach dem Abzug Prawests die Absicht bestand, Hoffmann selber 
oder einen andern zum Pfarrer zu machen, ist nicht bekannt, kommt auch nicht in 
Betracht. Hoffmann hatte jedenfalls so viel gewirkt, daß man keinen altgläubigen 
Pfarrer wiederhaben wollte. Nach Hoffmanns ganzer Einstellung ist zu vermuten, 
daß er in den „besseren“ Kreisen der Bürgerschaft sich durch seine rücksichtslosen 
Bußpredigten unbeliebt machte, dagegen bei den „kleinen Leuten“ durch seine echt 
oolkstümliche Verkündigung sich einen starken Anhang schuf. 
Er war also der erste wirksame Verkünder des Evan— 
geliums sin Kiel und hätte als solcher bei all seinen Absonderlichkeiten sicher 
in großem Segen wirken können, wenn er nicht auch hier seinem unseligen Drang 
zu derber Polemik allzusehr nachgegeben hätte. 
Es war vor allem Mic. Amsdorf, mit welchem er in eine heftige Fehde 
zeriet. Dieser hielt sich im Mai 1528 in Hamburg auf (zur Linden, S. 120), 
und was er dort von der Wirksamkeit des Profeten hörte, ward ihm Anlaß, ebenso 
wie früher seine Magdeburger Gemeinde, nun die holsteinische Kirche vor dem Ver— 
führer zu warnen. Er veröffentlichte eine (verloren gegangene) Streitschrift mit 
dem Titel: „Das Melchior Hofmann ein falscher Prophet und seine Leer vom 
Jüngsten Tage unrecht, falsch und widder Gott ist; an alle Heilige und Gleubige 
an J. C. zum Kiel und ym gantzen Holstein.“ Er bekämpfte hier insbesondere 
Hoffmanns Versuch, die Zeit des jüngsten Tages (innerhalb 7 Jahren nach 1526) 
zu bestimmen. Diese in grobem Tone gehaltene Schrift sowie wahrscheinlich noch 
eine weitere gaben Hoffmann Anlaß zu zwei Streitschriften gegen 
Amsdorf, in welchen er auf den groben Klotz einen noch gröberen Keil setzt. 
Die eine will auf hochdeutsch beweisen, „daß Niclas Amssdorff, der Magdeburger 
Pastor ein lügenhafter falscher Nasengeist sey“, die andere auf plattdeutsch, „dat 
Nicolaus Amsdorff der Meydeborger Pastor nicht weth, wat he setten, schriuen 
edder swetzen schal, darmede he syne lögen bestädigen möge““). 
Eine positive Frucht seiner Kieler Wirksamkeit war eine neue apokalyp⸗— 
tische Schrift, welche außer der bei Krafft S. 440 ff. erhaltenen Vorrede 
leider verloren gegangen ist. Der Titel lautet: „Dat erste Capitel des Evangelisten 
St. Mathäus, geprediget unde uthgelecht thom Kyll dorch M. Hoffmann ete.“. 
Weder die hier erneuerten eschatologischen Phantastereien, noch die erbitterten 
Kämpfe mit dem Magdeburger Ketzerrichter werden Hoffmann viel geschadet haben. 
In bezug auf erstere war der Wittenberger Heros ziemlich tolerant, folange sie nicht 
das Evangelium aufhoben, und grobe theologische Polemik war man gewohnt. 
Was Hoffmanns Stellung in Kiel erschütterte, war, daß sich eine immer stärker 
werdende Feindschaft einheimischer holsteinischer Theologen wider ihn erhob. 
Schon Ende des Jahres 27 machte Schuldorp allerlei Mitteilungen über 
Hoffmann nach Wittenberg, die den Reformator sehr bedenklich stimmten. Schon 
erwog er, die Kieler gelegentlich vor dem Profeten zu warnen'“). 
Diese Gelegenheit kam Anfang 28, durch einen Brief, den der Pfarrer Wil— 
helm Prawesst an Luther richtete“). Es war ein schlauer Schachzug dieses gut 
katholischen Mannes. Daß der König den ihm so unangenehmen Konkurrenten 
) Chronik des Asmus Bremer, hrsg. von Moritz Stern, Kiel 1916, S. 484. 
) G. Ficher hat das Verdienst, diese beiden Schriften in genauem Abdruck uns zu— 
zaͤnglich gemacht zu haben (Schriften des VESHKG, 4. und 5. Sonderheft). 
o) Brief an Amsdorf vom 30. Dei. 1527 bei Ehlers, V, 283. (W. A. 4,311). Hier macht 
duther die für die Kämpfernatur Hoffmanns sehr charakteristische Bemerkung, er sei „ein 
Mann, der nicht zur Ruhe kommen könne, wenn er sich nicht irgend eine Unannehmlichkeit bercite“. 
11) Ebenda VI. 210 nech Krafft S. 4460. Weimarer Ausgabe, Briefwechsel Bd. 4, S. 381.
	        
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