Full text: 1517 - 1721 (2)

Bd. 1, 9 4. Melchior Hoffmann 
auf einen Haufen stünden, so soll und muß die Wahrheit bekannt sein, zu der Ehre 
Gottes; das wolle mir mein Herr und Gott verleihen).“ 
Am 8. April, Donnerstag nach Quasimodogeniti, war die Kirche des Barfüßer— 
klosters gestopft voll: wohl 400 Leute waren anwesend, vorne auf reservierten 
Plätzen saßen Adel und Geistlichkeit. Den Leitern der Versammlung war vom 
König geboten, darauf zu sehen, „daß die Sache nicht mit Schelten und Schmach— 
worten, sondern mit Wahrheit göttlicher Schrift nach aller Notdurft würde aus— 
gerichtet, und daß beide Teile frei sollten gehöret werden.“ 
Auf Befehl des Herzogs eröffnete Bugenhagen die Handlung mit einer 
kurzen Ansprache, worauf sämtliche Anwesende niederknieten und ein Waterunser 
beteten. Dann wurden sechs Protokollführer erwählt, und zwar: Fran— 
ciseus Strienius, K. M. Capellan; Dietrich Becker von Husum; Joachim Francke 
von Wilster; Johannes Slavus; Thesmarus Halebecke und Johannes Benecken— 
dapf aus Kiel. Darauf setzten sich die Herren und das Volk, die Disputierenden 
dagegen standen, auf der einen Seite Hoffmann „selbstdritt“, auf der anderen die 
Wortführer der Landesgeistlichkeit“). 
Die eigentliche Verhandlung wurde von dem Hofmeiste Johann Rantzau 
mit der Frage an Hoffmann eröffnet, warum er „alle Prediger in seinen Büchern 
falsche Propheten gescholten habe“. 
Hoffmann antwortete: weil sie Christum durch ihre Behauptung, daß das 
Brot Christus sei, an sonderliche Orte und Stätten bänden. 
Darauf ergriff Her mann Tast, der auch weiterhin als offizieller Wort— 
führer der Landesgeistlichkeit auftrat, das Wort zu einer längeren Ausführung: 
Ihrer Person halben möchte man zwar es dulden, daß sie als falsche Profeten ge— 
scholten würden. Aber damit es nicht zu einem Abbruch und Verkleinerung des 
heiligen Evangeliums gedeihe, wolle er ein Zeugnis ihres Glaubens vom Abend—⸗ 
mahl hervorbringen, zuvor aber, um zu zeigen, daß sie, Gott Lob, in der Sache nicht 
so gar unverständig seien, etwas von dem geistlichen Essen und Trinken des Leibes 
und des Blutes Christi sagen. Freilich sei Jesus Christus nach Joh. 6 für die 
sündigen Menschen das einige Brot, das ihnen das ewige Leben geben könne, also 
das geistliche Brot. Und dies Brot geistlich zu genießen, d. h. an Christum zu 
glauben, sei durchaus nötig, wenn man das Abendmahl nicht unwürdig genießen 
wolle. Aber um unserer Schwachheit willen habe der Herr uns sichtbare Zeichen 
seines Bundes mit uns gegeben, nämlich Brot und Wein. Als gehorsame Jünger 
Jesu nehmen wir seine Stiftung dankbarlich an, einfach nach ihrem Wortlaut. 
Wir glauben, was er sagt, und tun, was er gebietet. Darum essen wir seinen Leib 
und trinken sein Blut, und der Grund, darauf wir stehen, sind seine klaren und 
offenbaren Worte. Deshalb wollten die Prediger sich nicht als Ketzer, Verführer 
und Seelenmörder schelten lassen und begehrten von Melchior Hoffmann, daß er 
auch nur einen von ihnen mit Namen anzeigen wolle, der sich gerühmt hätte, daß er 
Christum in ein Stück Brot zaubern könne. 
Ohne auf die letzte Frage zu antworten, erging sich Hoffimann nun in län— 
21) Zur Linden, S. 136. 
*) Um den Schein der Unparteilichkeit zu wahren, war die ganze Sache als eine Disputation 
zweier Parteien aufgezogen worden, nämlich der Landesgeistlichkeit als der von Hoffmann als 
falsche Lehrer Beschimpften auf der einen und ihres Anklägers auf der anderen Seite. Das 
ändert an dem oben gegebenen Urteil, daß es sich in Wirklichkeit um ein Verhör Hoffmanns 
handelte, nichts. Es ist auch sehr charakteristisch, daß die „Disputation“ streng auf die Abend— 
mahlslehre beschränkt wurde. In den Punkten, in welchen Hoffmann untadelig war, wollte 
man ihn überhaupt nicht hören.
	        
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