Bd. 1, 9 4. Melchior Hoffmann
auf einen Haufen stünden, so soll und muß die Wahrheit bekannt sein, zu der Ehre
Gottes; das wolle mir mein Herr und Gott verleihen).“
Am 8. April, Donnerstag nach Quasimodogeniti, war die Kirche des Barfüßer—
klosters gestopft voll: wohl 400 Leute waren anwesend, vorne auf reservierten
Plätzen saßen Adel und Geistlichkeit. Den Leitern der Versammlung war vom
König geboten, darauf zu sehen, „daß die Sache nicht mit Schelten und Schmach—
worten, sondern mit Wahrheit göttlicher Schrift nach aller Notdurft würde aus—
gerichtet, und daß beide Teile frei sollten gehöret werden.“
Auf Befehl des Herzogs eröffnete Bugenhagen die Handlung mit einer
kurzen Ansprache, worauf sämtliche Anwesende niederknieten und ein Waterunser
beteten. Dann wurden sechs Protokollführer erwählt, und zwar: Fran—
ciseus Strienius, K. M. Capellan; Dietrich Becker von Husum; Joachim Francke
von Wilster; Johannes Slavus; Thesmarus Halebecke und Johannes Benecken—
dapf aus Kiel. Darauf setzten sich die Herren und das Volk, die Disputierenden
dagegen standen, auf der einen Seite Hoffmann „selbstdritt“, auf der anderen die
Wortführer der Landesgeistlichkeit“).
Die eigentliche Verhandlung wurde von dem Hofmeiste Johann Rantzau
mit der Frage an Hoffmann eröffnet, warum er „alle Prediger in seinen Büchern
falsche Propheten gescholten habe“.
Hoffmann antwortete: weil sie Christum durch ihre Behauptung, daß das
Brot Christus sei, an sonderliche Orte und Stätten bänden.
Darauf ergriff Her mann Tast, der auch weiterhin als offizieller Wort—
führer der Landesgeistlichkeit auftrat, das Wort zu einer längeren Ausführung:
Ihrer Person halben möchte man zwar es dulden, daß sie als falsche Profeten ge—
scholten würden. Aber damit es nicht zu einem Abbruch und Verkleinerung des
heiligen Evangeliums gedeihe, wolle er ein Zeugnis ihres Glaubens vom Abend—⸗
mahl hervorbringen, zuvor aber, um zu zeigen, daß sie, Gott Lob, in der Sache nicht
so gar unverständig seien, etwas von dem geistlichen Essen und Trinken des Leibes
und des Blutes Christi sagen. Freilich sei Jesus Christus nach Joh. 6 für die
sündigen Menschen das einige Brot, das ihnen das ewige Leben geben könne, also
das geistliche Brot. Und dies Brot geistlich zu genießen, d. h. an Christum zu
glauben, sei durchaus nötig, wenn man das Abendmahl nicht unwürdig genießen
wolle. Aber um unserer Schwachheit willen habe der Herr uns sichtbare Zeichen
seines Bundes mit uns gegeben, nämlich Brot und Wein. Als gehorsame Jünger
Jesu nehmen wir seine Stiftung dankbarlich an, einfach nach ihrem Wortlaut.
Wir glauben, was er sagt, und tun, was er gebietet. Darum essen wir seinen Leib
und trinken sein Blut, und der Grund, darauf wir stehen, sind seine klaren und
offenbaren Worte. Deshalb wollten die Prediger sich nicht als Ketzer, Verführer
und Seelenmörder schelten lassen und begehrten von Melchior Hoffmann, daß er
auch nur einen von ihnen mit Namen anzeigen wolle, der sich gerühmt hätte, daß er
Christum in ein Stück Brot zaubern könne.
Ohne auf die letzte Frage zu antworten, erging sich Hoffimann nun in län—
21) Zur Linden, S. 136.
*) Um den Schein der Unparteilichkeit zu wahren, war die ganze Sache als eine Disputation
zweier Parteien aufgezogen worden, nämlich der Landesgeistlichkeit als der von Hoffmann als
falsche Lehrer Beschimpften auf der einen und ihres Anklägers auf der anderen Seite. Das
ändert an dem oben gegebenen Urteil, daß es sich in Wirklichkeit um ein Verhör Hoffmanns
handelte, nichts. Es ist auch sehr charakteristisch, daß die „Disputation“ streng auf die Abend—
mahlslehre beschränkt wurde. In den Punkten, in welchen Hoffmann untadelig war, wollte
man ihn überhaupt nicht hören.