Die beiden Boies
für sein Predigtamt genommen. Auch über Dithmarschen hinaus genoß er als
glaubenseifriger und gelehrter Theologe Ansehen; so wurde er z. B. als einziger
„ausländischer““ Gelehrter (reben Bugenhagen) zur Flensburger Disputation
mit Melchior Hoffmann zugezogen (vergl. oben S. 55). — Beide Boies haben
—
stammt das schöne „Gratias nach der Mahlzeit“: „O Gott, wi danken diner
Güde“!, das nach Luthers Vorgang in viele nieder- und hochdeutsche Gesangbücher
Aufnahme fand und noch Jahrhunderte lang bei Familienfestlichkeiten in Dith—
marschen gesungen wurde. Von dem Jüngeren stammt ein Abendmahlslied mit
demselben Anfang und der qleichen Melodie').
3. Das Martyrium Heinrichs von Zütphen.
Dithmarschen geniesit den zweifelhaften Ruhm, die einzige Landschaft in
Schleswig-Holstein zu sein, in der ein Mensch um seines evangelischen Glaubens
willen zu Tode gebracht worden
ist. Ja, das Martyrium Heinrichs
von Zütphen') war nicht einmal
das erste, das Zeugen reineren
Glaubens in diesem Lande bereitet
worden ist; wegen hussitischer Kelze⸗
rei war 1481 Hinrich Grove
auf dem Kirchhof zu Lunden von
rinem aufgeregten Volkshaufen ge—
tötet worden, und fünfzehn Jahre
päter hatte sein Bruder Mar-—
quard auf dem Ramberge bei
Meldorf den Feuertod erlitten. Es
war auch wohl begründet, daß der
Prior des Dominikanerklosters in
Meldorf, Augustinus Tor—
neborch, gerade den Bruder
Heinrich für einen besonders ge—
fährlichen Verkünder der neuen
Lehre hielt und deshalb alles dar—
ansetzte, um sein Wirken in Dith—
marschen zu verhindern. Denn die—
er hatte sich bereits im Erzbischof—
tum Bremen einen großen Namen
gemacht. Als reifer Mann — er
hatte schon an der Spitze des Klo—
sters zu Dordrecht gestanden — suchte er Wittenberg auf und saß hier zu Luthers,
Melanchthons und Karlstadts Füßen. Die Thesen, die er zur Erlangung des
biblischen Baccalaureats im Januar 1521 und bald nachher des Lizentiaten—
grades aufstellte, legen Zeugnis ab von seiner außerordentlich tiefen und klaren
HEINRICHBH VON ZITPHEN
) Vgl. C. Rolfs, Die beiden Boie. Lunden (1892), 80 S.
6) Das Bild des Maͤrtyrers ist eine Wiedergabe eines im Dithmarscher Landesmuseum be—
findlichen Oelgemäldes, das nach Dr. Kamphausen allerdings wahrscheinlich erst aus dem Anfang
des 17. Jahrh. stammt. Wir bringen es mit freundlicher Erlaubnis der Museumsleitung.