B. 1, 9 5. Reformation Dithmarschens
Heide, der sich 1532 als erster von den dithmarscher Geistlichen verehelichte'),
und Günther Werner in Neuenkirchen. Aus dem Jahre 1528 haben wir
drei interessante vobhlkstümliche Schriften des Meldorfers Boie und
Dimerbrocks, wider die Weihungen von Salz, Wasser, Feuer und andere aber—
gläubische Zeremonien sowie gegen die Seelmessen und Vigilien'), an deren
Schluß die Obrigkeit dringend aufgefordert wird, gegen solche Dinge einzuschreiten.
Aber in demselben Jahre noch wird darüber geklagt, daß manche von den Regenten
„mit fliegenden Fähnlein eines ganzen Kirchspiels“ die Ketzer überfielen und
durch schwere Bußen an Geld und Gut vom neuen Glauben abzuschrecken suchten
Meocorus 11, 33). Damals also war die Stimmung der Landesregenten noch
geteilt, bzw. abwartend. Allein gerade in den Jahren 1528— 31 setzt ein Um—
schwung ein. Zwar läßt sich die allgemein verbreitete Behauptung, daß durch
einen am Pfingstabend 1532 gefaßten förmlichen Landesbeschluß der papistische
Meßgottesdienst überall abgestellt und die Reformation gesetzmäßig angeordnet
worden sei'“), nicht halten, immerhin aber darf man sagen, daß in diesem Jahre
der Sieg der Reformation bereits entschieden war und diese nun schrittweise, aber
unaufhaltsam durchgeführt wurde. So wurde am Sonntag Quasimodogeniti
1533 den Franziskanern zu Lunden (und vermutlich auch den Dominikanern in
Meldorf!) die Feier der Messe verbtten und am Pfingstsonnabend
1533 tatsächlich durch Beschluß der ganzen Landesgemeinde der katholische
Meßgottesdienst im ganzen Lande abgestellt. In demselben Jahre wurde die
Kirchenaufsicht auf vie Superintendenten, unter ihnen die beiden Boie,
übertragen. Unfähige Priester oder solche, die sich der neuen Ordnung nicht an—
passen wollten, wurden durch tüchtige, entschieden evangelisch gesinnte Theologen
ersetzt. Bei diesem Geschäfte wurden die Dithmarscher von Melanchthon unter—
stützt, der tüchtige Leute unter seinen Schülern gerne nach diesem Lande wies,
wo es „gute conditiones“ gebe. Die Superintendenten hatten, wie es scheint,
keine starken eigenen Befugnisse, sondern waren mehr die primi inter pares.
Die eigentliche geistliche Behörde war der Rat der Superintendenten bzw. die
Gesamtversammlung der Geistlichkeit, der Kaland, unter Vorsitz zunächst des
Wesselburener Boie. Werordnungen, die über die rein geistliche Sphäre hinaus—
gingen, bedurften der Genehmigung durch den Rat der Achtundvierzig oder die
Landesversammlung.
Es versteht sich, daß in dieser aristokratischen Bauernrepublik gute neue
Ordnungen schwer durchzusetzen waren, zumal hier manche heidnisch-mittelalter—
liche Ordnungen bestanden, welche anderswo längst beseitigt waren und für eine
geläuterte sittliche Anschauung besondere Gefahren mit sich brachten“). Das gilt
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9) Daß die reformatorische Ehefreiheit für die Priester unter Umständen sehr gelegen kam,
um heimliche Ehen zu legitimieren, zeigt das Beispiel des Pfarrers zu Hemme, der „nachdem
he de lutherische Lehre angenahmen, by dem Pastorat dasülwest gebleven und heft sien Meyersche
gefryet, un nachdem se tovöre etlicke Kinder tosamen getüget, sünt desülven, als se tbhosamen
cepuleret, der Meierschen under de Hoiken gestahn un darnach vor ehrlich geachtet“ (IJ.M. III,
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) Zum Abdruck gebracht durch C. Rolf's in Schrr., 1. Heft, S. 27 -254.
0) So Lau S. 148, J.M. III, S. 12 u. A. Dagegen Rolfs a. a. O. S. 12.
21) Daß schon 1520 in Meldorf die Mönche mit Gewalt verjagt seien (J.M. III, S. 60),
ist nach Rolfs S. 13f. ein Irrtum. Vielmehr ließ man, wie auch sonsi geschab, in beiden
Klöstern die Mönche wohnen, dis sie abgezogen oder ausgestorben waren.
2) Daher sprach man im monarchischen Holstein gerne von der „barbarischen Freiheit“ der
Dithmarscher und betrachtete die Aufteilung von 1559 als einen Kulturfortschritt.