Full text: 1517 - 1721 (2)

B. 1, 9 5. Reformation Dithmarschens 
Heide, der sich 1532 als erster von den dithmarscher Geistlichen verehelichte'), 
und Günther Werner in Neuenkirchen. Aus dem Jahre 1528 haben wir 
drei interessante vobhlkstümliche Schriften des Meldorfers Boie und 
Dimerbrocks, wider die Weihungen von Salz, Wasser, Feuer und andere aber— 
gläubische Zeremonien sowie gegen die Seelmessen und Vigilien'), an deren 
Schluß die Obrigkeit dringend aufgefordert wird, gegen solche Dinge einzuschreiten. 
Aber in demselben Jahre noch wird darüber geklagt, daß manche von den Regenten 
„mit fliegenden Fähnlein eines ganzen Kirchspiels“ die Ketzer überfielen und 
durch schwere Bußen an Geld und Gut vom neuen Glauben abzuschrecken suchten 
Meocorus 11, 33). Damals also war die Stimmung der Landesregenten noch 
geteilt, bzw. abwartend. Allein gerade in den Jahren 1528— 31 setzt ein Um— 
schwung ein. Zwar läßt sich die allgemein verbreitete Behauptung, daß durch 
einen am Pfingstabend 1532 gefaßten förmlichen Landesbeschluß der papistische 
Meßgottesdienst überall abgestellt und die Reformation gesetzmäßig angeordnet 
worden sei'“), nicht halten, immerhin aber darf man sagen, daß in diesem Jahre 
der Sieg der Reformation bereits entschieden war und diese nun schrittweise, aber 
unaufhaltsam durchgeführt wurde. So wurde am Sonntag Quasimodogeniti 
1533 den Franziskanern zu Lunden (und vermutlich auch den Dominikanern in 
Meldorf!) die Feier der Messe verbtten und am Pfingstsonnabend 
1533 tatsächlich durch Beschluß der ganzen Landesgemeinde der katholische 
Meßgottesdienst im ganzen Lande abgestellt. In demselben Jahre wurde die 
Kirchenaufsicht auf vie Superintendenten, unter ihnen die beiden Boie, 
übertragen. Unfähige Priester oder solche, die sich der neuen Ordnung nicht an— 
passen wollten, wurden durch tüchtige, entschieden evangelisch gesinnte Theologen 
ersetzt. Bei diesem Geschäfte wurden die Dithmarscher von Melanchthon unter— 
stützt, der tüchtige Leute unter seinen Schülern gerne nach diesem Lande wies, 
wo es „gute conditiones“ gebe. Die Superintendenten hatten, wie es scheint, 
keine starken eigenen Befugnisse, sondern waren mehr die primi inter pares. 
Die eigentliche geistliche Behörde war der Rat der Superintendenten bzw. die 
Gesamtversammlung der Geistlichkeit, der Kaland, unter Vorsitz zunächst des 
Wesselburener Boie. Werordnungen, die über die rein geistliche Sphäre hinaus— 
gingen, bedurften der Genehmigung durch den Rat der Achtundvierzig oder die 
Landesversammlung. 
Es versteht sich, daß in dieser aristokratischen Bauernrepublik gute neue 
Ordnungen schwer durchzusetzen waren, zumal hier manche heidnisch-mittelalter— 
liche Ordnungen bestanden, welche anderswo längst beseitigt waren und für eine 
geläuterte sittliche Anschauung besondere Gefahren mit sich brachten“). Das gilt 
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9) Daß die reformatorische Ehefreiheit für die Priester unter Umständen sehr gelegen kam, 
um heimliche Ehen zu legitimieren, zeigt das Beispiel des Pfarrers zu Hemme, der „nachdem 
he de lutherische Lehre angenahmen, by dem Pastorat dasülwest gebleven und heft sien Meyersche 
gefryet, un nachdem se tovöre etlicke Kinder tosamen getüget, sünt desülven, als se tbhosamen 
cepuleret, der Meierschen under de Hoiken gestahn un darnach vor ehrlich geachtet“ (IJ.M. III, 
— 
) Zum Abdruck gebracht durch C. Rolf's in Schrr., 1. Heft, S. 27 -254. 
0) So Lau S. 148, J.M. III, S. 12 u. A. Dagegen Rolfs a. a. O. S. 12. 
21) Daß schon 1520 in Meldorf die Mönche mit Gewalt verjagt seien (J.M. III, S. 60), 
ist nach Rolfs S. 13f. ein Irrtum. Vielmehr ließ man, wie auch sonsi geschab, in beiden 
Klöstern die Mönche wohnen, dis sie abgezogen oder ausgestorben waren. 
2) Daher sprach man im monarchischen Holstein gerne von der „barbarischen Freiheit“ der 
Dithmarscher und betrachtete die Aufteilung von 1559 als einen Kulturfortschritt.
	        
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