Full text: 1517 - 1721 (2)

Bugenhagens Kirchenordnung 
Wir können an dieser Stelle nicht auf die zahlreichen einzelnen Bestimmungen 
eingehen. Von allgemeinem Interesse sind vor allem die Aufrichtung 
rinerevangelischen Superintendenturund die Ordnung 
des Schulwesens. 
„Vor alle ding bedarve wi eines guden superattendenten, dat is eines upsehers, 
wen wir einen konnen averkamen. Sulke lude sint dure, men mot Godt darummie 
bidden, alse uns Christus leret“ (S. 501). Der Superintendent hat ansier 
seinem Aufsichtsamte über Kirchen und Schulen und zahlreichen besonderen 
Predigten auch die Pflicht, viermal in der Woche im „Lektorium“ des Domes 
„für die Gelehrten“, d. h. sowohl für Studierende wie „unse gelerte borger“ 
lateinische Vorlesungen über die Heilige Schrift zu halten. Er wird in seinem 
Amte unterstützt von seinem „Adjutor““, der aus der Zahl der vier Pastoren zu 
wählen ist. Auch dieser hat „alleweke veer edder tom ringesten dree latinsche 
lectien“ zu halten. — Mit dieser Einrichtung will B. nicht allein für beste 
Bildung der Hamburger Geistlichen sorgen, sondern auch für andere Kirchen 
tüchtige Prediger ausbilden, also gewissermaßen die alte Priestershule des Dom— 
kapitels fortsetzen („dat wi nich alleine stedes prediker genoch hebben, sonder ock 
to groter Salicheit anderen steden gude prediker avergeben“). Die gelehrten 
Bürger aber sollen „in ihren Häusern und bei ihren Verwandten „nachlehren“, 
was sie im Lektorium gelernt haben, sick sulvest to beterem vorstande“ — eine 
Vorschrift, die für die lehrhaften Tendenzen Bugenhagens und für die innige 
Verbindung zwischen „Gelehrsamkeit“ und Christentum, die der Protestantismus 
geschaffen hat, äußerst charakteristisch ist. 
Neben dieser besonderen Fürsorge für die christlich-wissenschaftliche Ausbildung 
der „Gelehrten“ hat B. das „gemeine Wolk“ nicht vergessen. Sehr eingehend 
sind die Vorschriften der KO für Katechismuspredigten, wie denn B. auch in 
Hamburg die erste niederdeutsche Ausgabe des Lutherschen Katechismus ver— 
austaltet hat. 
Dieselbe Tendenz wie die Vorschriften über den Superintendeten zeigen die 
ausführlichen Ausführungen der KO über die künftige Einrichtung des Hamburger 
Schulwesens (S. 495 ff.). Außer einer im Johanniskloster einzurichtenden 
grosien Lateinschule mit sieben Lehrkräften und einem ganz den Vorschriften 
Magistri Philippi entsprechenden Lehrplan soll es nur eine deutsche Schreib— 
schule mit drei Lehrkräften geben, und zwar in der bisherigen St. Micolaischule. 
In jedem Kirchspiele aber soll eine „Jungfrauenschule“ eingerichtet werden. In 
dieser sollen die Bürgertöchter ein oder zum höchsten zwei Jahre und nur eine 
oder höchsten zwei Stunden am Tage von den Schulmeisterinnen unterrichtet 
werden, jedoch nur im Lesen, Katechismus und Gesang. „Van solken junkfruen, 
de Gades word gevatet hebben, konnen nutlike, geschickede, frolike, fruntlike, 
gehorsame, gades fruchtende, nicht bilovesche und egenkoppesche husmodere werden.“ 
Das ganze Hamburger Schulwesen soll von einer Art Akademie gekrönt werden, 
indem im Lektorium Vorlesungen gehalten werden sollen, nicht nur die genannten 
theologischen, sondern auch juristische und medizinische!“). 
naur einen Blick in ein Originalwerk Bugenhagens zu tun, um zu erkennen, daß unsere knapp 
gefasite KO nicht von ihm stammen kann. 
10) Auch eine „librie““', d. h. Bibliothek hat B. gefordert. Diese soll nicht nur „gute“, 
sondern auch „böse“ Bücher enthalten, also der freien wissenschaftlichen Forschung dienen 
Sehling S. 1400 f.).
	        
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