Full text: 1517 - 1721 (2)

B. 1, 5 6. Die Reformation Hamburgs 
1561 den Prozeß zu beenden. So fest der Rat allezeit darauf bestanden hatte, 
daß der evangelische Bekenntnisstand der Stadt durch irgendwelche Rechte des 
Kapitels nicht tangiert werde, so hartnäckig hatten die Domherren, die mittler— 
weile größtenteils selber protestantisch geworden waren, auf Restitution ihrer 
weltlichen Rechte bestanden. Diese ist denn auch durch den Vergleich zum größten 
Teile erfolgt: die Domherren behielten den Dom als ihre Spezialkirche (doch 
mit einem evangelischen Prediger), ihre abgabefreien Kurien, die Gerichtsbarkeit 
über ihre Diener, den Genuß der geistlichen Stiftungen am Dom, jedoch so, daß 
von den Erträgen 600 Mk. Lübisch zu Schulzwecken verwandt werden sollten, 
die Korn- und Geldhebungen von den stadteigenen Dörfern usw. 
In solcher Form, als bevorrechtetes Institut zur Versorgung vornehmer Leute, 
ohne allgemein-kirchliche Rechte und erst recht ohne kirchlichen Nutzen, hat das 
Kapitel bei beständigen kleinen Reibungen mit dem Rat unter dem Schutz der 
jeweiligen Regierungen des Erzbistums Bremen, also seit 1048 der IXO 
seit 1715 der hannöverschen, ein geruhiges und stilles Leben geführt, bis es nach 
dem Reichsdepuͤtationsschluß von 1803 völlig säkularisiert und der Stadt Ham— 
burg zu eigen wurde. Die Dompredigerstelle wurde seit 1790 nicht mehr besetzt, 
der ehrwürdige Dom 1806 abgebrochen. 
Wertvoll für uns wäre eine genauere Geschichte dr Beziehungen des 
Domkapitels zu Holstein nach der hamburgischen Reformation. Die 
Visitation und die Ausübung der geistlichen Gerichtsbarkeit wird schon frühzeitig 
aufgehört haben. Anders ist es mit den weltlichen Besitzungen und Rechten, die 
dem Kapitel in Holstein in so reichem Masie zu eigen waren *). An diesen hat 
es natürlich auch nach der Reformation kräftig festgehalten. Doch hat es sich 
seiner größeren Besitzungen schon frühzeitig entledigen müssen. So hat es 
1564 seine beiden Dörfer Barmstedt und Rellingen an den Grafen Otto von 
Schauenburg verkauft (Apel S. 109 f.). In den 60Oer und 70er Jahren trotzte 
der geldgierige und gewalttätige Herzog Adolf dem Kapitel seinen schönsten Besitz, 
die 14 sog. Trittauischen Kapitelsdörfer ab (Apel S. 110ff.). An ganzen 
Dörfern besaß das Kapitel bei seiner Auflösung 1803 nur noch Poppenbüttel und 
Spitzerdorf (bei Rissen); ersteres kam an Holstein, letzteres an Pinneberg. 
§7. Die Reformation Lübecks. 
1. Lübeck in der Reformationszeit. 
In der Reformationszeit übertraf Lübeck Hamburg noch um ein bedeutendes, 
nicht nur durch die größere Volkszahl, die etwa doppelt so hoch war, sondern vor 
allem als politische Macht. Lübeck war das Haupt und der Versammlungs— 
ort der ganzen Hanse, es war eine Ostseemacht, welche mit Dänemark und 
Schweden nicht nur konkurrierte, sondern nur allzu oft diesen Fürstenmächten 
ihren Willen aufzuzwingen imstande war. Auch für Schleswig-Holstein war es 
als politische Macht weit bedeutungsvoller als Hamburg, schon als freie Reichs— 
stadt, die nur unter dem Kaiser stand, während Hamburg immer noch rechtlich 
und nominell eine „holsteinische“ Stadt war. Der Bischof von Lübeck war neben 
M Hierüber gibt die Dissertation von G. Apel, die Güterverhältnisse des Hamburgischen 
Domkapitels (Hamb. 1934) reiche Auskunft.
	        
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