B. 1, 5 6. Die Reformation Hamburgs
1561 den Prozeß zu beenden. So fest der Rat allezeit darauf bestanden hatte,
daß der evangelische Bekenntnisstand der Stadt durch irgendwelche Rechte des
Kapitels nicht tangiert werde, so hartnäckig hatten die Domherren, die mittler—
weile größtenteils selber protestantisch geworden waren, auf Restitution ihrer
weltlichen Rechte bestanden. Diese ist denn auch durch den Vergleich zum größten
Teile erfolgt: die Domherren behielten den Dom als ihre Spezialkirche (doch
mit einem evangelischen Prediger), ihre abgabefreien Kurien, die Gerichtsbarkeit
über ihre Diener, den Genuß der geistlichen Stiftungen am Dom, jedoch so, daß
von den Erträgen 600 Mk. Lübisch zu Schulzwecken verwandt werden sollten,
die Korn- und Geldhebungen von den stadteigenen Dörfern usw.
In solcher Form, als bevorrechtetes Institut zur Versorgung vornehmer Leute,
ohne allgemein-kirchliche Rechte und erst recht ohne kirchlichen Nutzen, hat das
Kapitel bei beständigen kleinen Reibungen mit dem Rat unter dem Schutz der
jeweiligen Regierungen des Erzbistums Bremen, also seit 1048 der IXO
seit 1715 der hannöverschen, ein geruhiges und stilles Leben geführt, bis es nach
dem Reichsdepuͤtationsschluß von 1803 völlig säkularisiert und der Stadt Ham—
burg zu eigen wurde. Die Dompredigerstelle wurde seit 1790 nicht mehr besetzt,
der ehrwürdige Dom 1806 abgebrochen.
Wertvoll für uns wäre eine genauere Geschichte dr Beziehungen des
Domkapitels zu Holstein nach der hamburgischen Reformation. Die
Visitation und die Ausübung der geistlichen Gerichtsbarkeit wird schon frühzeitig
aufgehört haben. Anders ist es mit den weltlichen Besitzungen und Rechten, die
dem Kapitel in Holstein in so reichem Masie zu eigen waren *). An diesen hat
es natürlich auch nach der Reformation kräftig festgehalten. Doch hat es sich
seiner größeren Besitzungen schon frühzeitig entledigen müssen. So hat es
1564 seine beiden Dörfer Barmstedt und Rellingen an den Grafen Otto von
Schauenburg verkauft (Apel S. 109 f.). In den 60Oer und 70er Jahren trotzte
der geldgierige und gewalttätige Herzog Adolf dem Kapitel seinen schönsten Besitz,
die 14 sog. Trittauischen Kapitelsdörfer ab (Apel S. 110ff.). An ganzen
Dörfern besaß das Kapitel bei seiner Auflösung 1803 nur noch Poppenbüttel und
Spitzerdorf (bei Rissen); ersteres kam an Holstein, letzteres an Pinneberg.
§7. Die Reformation Lübecks.
1. Lübeck in der Reformationszeit.
In der Reformationszeit übertraf Lübeck Hamburg noch um ein bedeutendes,
nicht nur durch die größere Volkszahl, die etwa doppelt so hoch war, sondern vor
allem als politische Macht. Lübeck war das Haupt und der Versammlungs—
ort der ganzen Hanse, es war eine Ostseemacht, welche mit Dänemark und
Schweden nicht nur konkurrierte, sondern nur allzu oft diesen Fürstenmächten
ihren Willen aufzuzwingen imstande war. Auch für Schleswig-Holstein war es
als politische Macht weit bedeutungsvoller als Hamburg, schon als freie Reichs—
stadt, die nur unter dem Kaiser stand, während Hamburg immer noch rechtlich
und nominell eine „holsteinische“ Stadt war. Der Bischof von Lübeck war neben
M Hierüber gibt die Dissertation von G. Apel, die Güterverhältnisse des Hamburgischen
Domkapitels (Hamb. 1934) reiche Auskunft.