Full text: Die Juden und das Wirtschaftsleben

— 933 — 
tumsbeziehungen vor allem auch dadurch zu festigen, daß sie 
dem Eigentümer eine weitreichende Vindikationsbefugnis ver- 
liehen, Insbesondere konnte nach römischem und Äälterem 
deutschen Recht der Eigentümer ein ihm unrechtmäßig ab- 
handen gekommenes Gut auch vom gutgläubigen Besitzer ohne 
Entschädigung zurückfordern. Dem gegenüber steht der in das 
moderne Recht fast ‚durchgängig übergegangene Satz, daß die 
Auslieferung nur gegen Erstattung der Summe zu erfolgen braucht, 
die der jetzige Besitzer gezahlt hat, wenn nicht etwa überhaupt 
keine Verpflichtung des gutgläubigen Erwerbers besteht, die 
Sache dem früheren Eigentümer herauszugeben. 
Woher nun ‚dieser den älteren Rechten fremde Grundsatz 
unserer modernen .‚Gesetzgebungen? Antwort: aller. Wahr- 
scheinlichkeit nach aus dem jüdischen Rechtskreise, in dem von 
jeher das verkehrsfreundliche Recht gegolten hat. 
Den Schutz des gutgläubigen Erwerbers finden wir schon 
im Talmud ausgesprochen. Die .Mischna in B. Q. 114b, 115a 
lautet also: „Wenn jemand seine Geräte oder seine Bücher im 
Besitze eines anderen erkennt, so soll, falls ein bei ihm verübter 
Diebstahl in der Stadt bekannt geworden ist, der Käufer schwören, 
wieviel er dafür bezahlt hat und sein Geld erhalten, wenn aber 
nicht; so ist er dazu nicht berechtigt, denn man. nehme an, daß 
er sie an jemand verkauft und dieser sie von jemand gekauft 
hat‘ (Übersetzung @oldschmidt. 6, 430). Also auf jeden Fall 
kann der gutgläubige Erwerber Schadenersatz verlangen; unter 
bestimmten Umständen kann er die Sache ohne weiteres behalten. 
Die Gemara schwankt zwar; aber im allgemeinen‘ kommt sie 
doch auch zu dem Entscheide: dem gutgläubigen Erwerber muß 
„Marktschutz‘‘ gewährt werden; der Eigentümer muß ihm den 
gezahlten Preis ersetzen. 
Diese verkehrsfreundliche Auffassung des Talmud haben 
dann die Juden während des ganzen Mittelalters in ihrem Rechte 
beibehalten und — was das Wichtigste ist — sie haben schon 
frühzeitig durchgesetzt, daß sie auch in der Rechtsprechung 
christlicher Gerichte zur Anwendung gelange. Für den Erwerb 
beweglicher Sachen durch: Juden hat Jahrhunderte lang ein be- 
sonderes. Judenrecht in Geltung geständen; es hat seine erste 
Anerkennung in dem Privileg gefunden, das König Heinrich IV. im 
Jahre 1090 den. Juden Speiers erteilt: „Wird bei einem Juden
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.