Full text: Die Juden und das Wirtschaftsleben

eine gestohlene Sache gefunden und behauptet der Jude, sie 
gekauft zu haben, so darf er mit dem Eide nach seinem Gesetze 
erhärten, für welche Summe er sie gekauft habe; zahlt ihm dann 
soviel der Eigentümer, so soll er sie diesem dafür. herausgeben.‘ 
Dieses besondere jüdische Recht finden wir nicht nur in Deutsch- 
land, sondern auch. in anderen Ländern (in Frankreich schon 
Mitte des 12. Jahrhunderts) in Anwendung ®*®®, Im Sachsen- 
spiegel ist es III, 7,8 4 aufgenommen. Es scheint, daß der 
wichtige Rechtsgrundsatz dann. durch die neueren Kodifikationen 
zu allgemeiner Geltung erhoben worden ist. Goldschmidt, 
der „den Ausschluß der Vindikation sogar gestohlenen Gutes in 
dritter Hand‘ ebenfalls auf jüdisch-rechtlichen Ursprung zurück- 
führt, nimmt einen Einfluß der jüdischen Rechtsauffassung vor 
allem auf das Handelsgewohnheitsrecht?* an (obwohl er 
im allgemeinen die Bedeutung der Juden für die Entwicklung 
des Handels und des Handelsrechts zu verkleinern, wenn nicht 
überhaupt zu leugnen krampfhaft bemüht ist.‘ Es gibt nämlich 
im Grunde gar keine Juden!). 
2. Die Börse 
Aber die Hauptsache war natürlich, daß für die Wertpapiere 
ein ihnen angemessener Markt. geschaffen wurde. Und das war 
die Börse. 
Wie die Gegenstände, die man in den Mandel bringen wollte, 
versachlichte Forderungsrechte waren, so wurde in der Börse 
der Handel damit ebenfalls seiner persönlichen Färbung entkleidet, 
Denn das ist das Wesen der Börse und unterscheidet sie von 
anderen Märkten. Die Verträge, die hier abgeschlossen. werden, 
sind nicht mehr in ihren einzelnen Bestandteilen der Ausfluß 
persönlicher Bewertung und persönlichen Befundes, sondern 
kommen durch das Zusammenwirken untereinander {fremder 
Personen zustande. Nicht das Vertrauen, das der einzelne Ge- 
schäftsmann bei seinen Geschäftsfreunden auf Grund persönlichen 
Umgangs genießt, befähigt ihn mehr, wie ehedem,. Geschäfte 
einzugehen, sondern eine allgemeine, abstrakte Bewertung seiner 
Kreditwürdigkeit, die ditta di Borsa, genügt nun, wie Ehren- 
berg hervorgehoben hat, um Verträge abzuschließen. Nicht 
ein individueller Preis, der‘ durch gegenseitige Aussprache zweier 
oder auch mehrerer Käufer und Verkäufer zustande kam, liegt
	        
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