Full text: Die Juden und das Wirtschaftsleben

294 — 
von einer innigen Verbindung des jüdischen Gottesvolkes und der 
englisch-puritanischen Gottesgemeinde. Ein puritanischer Prediger, 
Nathanael Holmes (Homesius), wünschte nichts sehnlicher als nach 
dem Buchstaben mancher Prophetenverse der Knecht Israels zu 
werden, um ihm auf den Knien zu dienen. Das öffentliche Leben 
und die Kirchenpredigten erhielten geradezu eine israelitische 
Färbung. Es fehlte nur noch, daß die Parlamentsredner hebräisch 
sprachen, so hätte man sich nach Palästina versetzt glauben können; 
die Levellers, die sich selbst „Jews‘“ nannten, verlangen, daß die 
Staatsgesetze. die Thora schlechthin zur Norm für England er- 
klären möchten; Cromwells Offiziere schlagen ihm vor, den Staats- 
rat aus 70 Mitgliedern zu bilden nach der Zahl der jüdischen 
Synhedristen; im Parlamente von 1653 sitzt der Obergeneral 
Thomas Harrison, ein Wiedertäufer, der mit seiner Partei das 
mosaische Gesetz für England eingeführt wissen wollte; 1649 
wird ein Antrag im Parlamente eingebracht: den Sonntag auf 
den Sabbat zu verlegen; ‚The Lion of Judah‘ war die Inschrift 
auf den Bannern der siegreichen Puritaner 497, Bezeugt ist 
aber auch die Tatsache, daß in jenen Zeiten nicht nur das Alte 
Testament, sondern auch die rabbinische Literatur in den Kreisen 
der christlichen Geistlichkeit und der ‘christlichen Laienwelt 
gründlich gelesen wurde. Denkbar also wäre eine direkte Ab- 
leitung der puritanischen Lehren aus den jüdischen sehr wohl, 
Dem kirchenhistorischen Fachmanne muß es überlassen bleiben, 
hier Klarheit zu schaffen. An dieser Stelle muß es mit den 
wenigen Hinweisen sein Bewenden haben. 
Zum Schlusse möchte ich nur noch auf ein schnurriges 
Büchlein aufmerksam machen, das im Jahre 1608 erschienen ist, 
und dessen Inhalt vielleicht symptomatisch wertvoll die enge 
geistige Verbindung aufweist, in die damals in der herrschenden 
Anschauung Puritanismus (oder Calvinismus) und Judentum mit- 
einander gebracht wurden. Es hat den Titel „Der calvinische 
Judenspiegel‘‘ und behandelt auf Seite 33 die Beziehung zwischen 
den beiden Religionsgemeinschaften in folgender amüsanter Weise: 
„Wann ich auff mein Eydt den grundt und die warhaffte Ursache 
sagen sol, warumb ich Calvinisch worden sei, so” muß ich be- 
kennen, dass‘ mich darzu nichts anders bewogen hat als nur 
allein diese nemblich dass unter allen kein gefunden werde die 
mit dem Judenthumb so gleich einstimme, unnd deren antworte
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.