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Zwölftes Kapitel]
Jüdische Eigenart
[. Das Problem
Es kostet wahrhaftig keine geringe Überwindung, in einem
wissenschaftlichen Buche das in der Überschrift dieses Kapitels
ausgedrückte Problem abzuhandeln. Ist doch ganz allgemein in
letzter Zeit alles, was nach Völkerpsychologie ausschaut, zum
Spielball dilettantischer Launen geworden und wird doch ganz
besonders die Schilderung jüdischen Wesens von rohen Geistern
mit groben Instinkten als politischer Sport ausgeübt — zum Ekel
und Überdruß für alle, die sich in unserer grobschlächtigen Zeit
Geschmack und Unbefangenheit bewahrt haben. Der unverant-
wortliche Mißbrauch, der mit völkerpsychologischen Kategorien
unausgesetzt getrieben wird, hat denn auch schon dahin geführt,
daß man ein ganzes Heer von Gründen mobil gemacht hat, die
die Unmöglichkeit kollektivpsychologischer Aussagen wissenschaft-
lich erweisen sollen. Wenn man die Bücher von Friedrich
Hertz, von Jean Finot und anderen liest %*8, bekommt
man freilich fast den Eindruck, als sei es wirklich ein aussichts-
loses Beginnen, in einer irgendwelchen Vielheit von Menschen
psychologische Übereinstimmungen festzustellen; als hätten alle,
die bisher eine Wissenschaft wie die Völkerpsychologie anzubahnen
sich mühten, einem Phantome nachgejagt. Der schöne Bau liegt
in Trümmern, und man möchte daran zweifeln, daß er je wieder
aufgerichtet werden könnte.
Und doch, und doch! Wir mögen noch so sehr von den
Beweisgründen überzeugt sein, die wir in den kritischen Büchern
zusammengetragen finden; wir mögen 'einen ganzen Tag, eine
ganze Woche lang darauf ausgewesen sein, die Trugbilder zu
zerstören, die .uns frühere Schriftsteller von dem Wesen eines