Full text: Die Juden und das Wirtschaftsleben

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Heute lächeln wir über diese Naivität. Aber haben wir 
das Recht dazu? Verfahren unsere ‚„Rassensystematiker‘“ nicht 
viel naiver, viel willkürlicher? Auch wenn sie mit noch soviel 
Schädelmaßen um sich werfen? Ist denn der Unfug nicht 
geradezu unerhört, der mit der Lang-Schädel-Kurz-Schädeltheorie 
getrieben worden ist und immer‘ gelegentlich noch getrieben 
wird? Sollte man es überhaupt für möglich halten, daß allen 
Ernstes ein Zusammenhang zwischen Schädelform und Art und 
Maß der Kulturfähigkeit aufgestellt werden konnte, ohne die 
Probleme der Gehirnanatomie und Gehirnfunktionen auch nur 
mit einem Gedanken in Rücksicht zu ziehen? Mit solchen 
Hypothesen: der Langschädel ist ein. Herrenmensch, der Kurz- 
schädel ist ein Sklavenmensch, ging man ja, ohne es zu ahnen, 
weit hinter den alten Gall zurück. ; 
Nach den neuesten Untersuchungen Nyströms u. a. wird 
nun wohl der Lärm der Dolichozephalomanen etwas verstummen. 
Aber es hätte eigentlich derartiger Feststellungen nicht be- 
dürfen sollen, um die Windigkeit der Schädelkulturtheorien auf- 
zudecken. Man hätte den Herren einfach zurufen ‚sollen: bitte, 
erbringt Ihr erst den Beweis, daß zwischen Schädelform (und 
natürlich ebenso zwischen Fußsohlen- und Nasenform: es gibt 
bekanntlich auch Nasen - Kulturtheoretiker) und menschlich- 
geistigem Wesen ein irgendwelcher Zusammenhang besteht. 
Oder soll man den Versuch eines solchen Beweises in den 
bekannten Worten Chamberlains erblicken: Den germa- 
nischen Langschädel habe „ein ewig schlagendes, von Sehn- 
sucht gequältes ‚Gehirn aus der Kreislinie des tierischen Wohl- 
behagens hinaus gehämmert‘‘? Zweifellos steckt in diesen 
Worten eine ganze Menge recht poetischen Empfindens, und 
niemand, der sich ein empfängliches Gemüt bewahrt hat, wird 
der - eindrucksvollen Wucht dieses Gedankens sich entziehen 
können. Aber ein „Beweis‘‘? Mit genau demselben Recht — 
wenn die neueren Untersuchungen richtig sind, wonach der 
Kurzschädel durch starke geistige Arbeit sich aus dem Lang- 
schädel herausbilden soll, sogar mit größerem Recht; es gibt 
jetzt in der Tat schon‘ einen Brachyzephalen-Stolz! — ‘könnte 
ein Brachyzephalomane etwa sagen: „den von ungebändigten 
Naturtrieben nach vorn hinaus gedrängter! Langschädel führt die 
gefestigte ‘Geistigheit, die zur Harmonie durchgedrungene Seelen-
	        
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