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haftigkeit des Edelmenschen an die jene in sich ruhende Wesen-
heit gleichsam symbolisch ausdrückende Kreislinie des Rund-
kopfes immer näher heran‘.
Oder ist das ein „Beweis‘‘: Hier sehe ich eine Kultur, die
mir wertvoll erscheint, als das Werk einer besonderen Rasse —
sage der Germanen; dort sehe ich eine andere Kultur, die mir
auch wertvoll erscheint; Schluß: so kann sie nur das Werk von
Germanen: sein? Zwar erscheinen ganz anders geartete Völker
als ihre Träger. Dann sind eben Germanen dort gewesen, die
jenen den Kulturkeim eingeimpft haben.
Sicher regt, eine solche Schlußfolgerung Herz und Gemüt
zu Freude und Befriedigung 'an. Sicher läßt sich in solcher
Hypothese ein neuer ‚Glauben‘, wennschon ‘ der alte Juden-
oder Christenglauben nicht mehr verfängt, leidlich sicher ver-
ankern — wie denn alle diese „Theorien‘‘ von dem Kulturberuf
einer „Edelrasse‘‘: die Ariertheorie, die Germanentheorie nichts
anderes sind als eine dem „modernen“ Empfinden angepaßte
Erneuerung des alten Gläubens’ an das ’auserwählte Volk Gottes.
Sie sollen auch als solche unangefochten bleiben.
Nur sollen sie nicht ein wissenschaftliches Mäntelchen um-
hängen. Wissenschaft und Glaube sollen auch hier — im Inter-
esse beider. — hübsch getrennt‘ bleiben. Wie wir die Schöpfungs-
geschichte der Genesis oder‘ die Himmelfahrt Christi mit in-
brünstigem Herzen glauben mögen, ohne doch den Anspruch
zu erheben, daß in jenen Erzählungen wissenschaftliche Erkennt-
nisse der Erdentstehung oder der Sternenwelt enthalten seien;
ebenso sollen die Langschädelgläubigen oder die Germanen-
gläubigen ruhig bei ihrem Glauben .verharren, sie sollen nur
dicht die Kreise der Wissenschaft stören dadurch, daß sie be-
haupten: ihre Annahmen ‘seien aus wissenschaftlicher ‚Erkennt-
nis. hervorgegangen oder hätten überhaupt etwas mit Wissen-
schaft zu tun.
Aber auch wenn die Vertreter der traditionellen Rassen-
theorie sich zu einer Art von empirischem Beweise ver-
stehen, ist ihre Beweisführung ganz und gar nicht schlüssig. Sie
pflegen nämlich als Argument für die rassenmäßige Verankerung
der geistigen Eigenart eines Volkes deren Konstanz anzuführen
und glauben, ihren Beweis lückenlos geführt zu haben, wenn sie die
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