Full text: Die Juden und das Wirtschaftsleben

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selbst von seinen Glaubensgenossen als etwas Minderwertiges 
empfunden. Der Gegensatz zwischen Ghettojuden und freien 
Juden kam ja. einst in dem Gegensatz zwischen Aschkenazim 
und Sephardim zum sehr greifbaren Ausdruck. Die beiden standen 
sich‘ wie feindliche Brüder gegenüber, das heißt genauer: die 
Sephardim sahen auf die aschkenazischen Juden mit. Verachtung 
herab und empfanden sie wie lästige bettelhafte Aufdringlinge. 
So schrieb ein deutscher Jude in bitterem Spotte an seinen 
sephardischen Glaubensgenossen‘ um die Mitte des 18. Jahr- 
hunderts (als der Gegensatz seine stärkste Spannung erhalten 
hatte) wie folgt: ®%% ; 
„Je scai, Monsieur, que les Juifs Portugais n’ont de commune 
avee les Juifs Allemans qu’une operation religieuse et que 1l’edu- 
cation et les moeurs ne laissent entr’ eux aucune ressemblance 
reelle quant a la vie civile. Je scai que l’affinite entre les uns 
et les autres est d’une Tradition extreöment reculee ‚et que le 
Gaulois Verecingentorix et 1l’Allemand Arminius 6toient plus 
proches parens du beau- Pere d’Herode que vous, du Fils 
d’Ephraim.““ 
Ganz ähnlich ließ sich der Sepharde Pinto aus in seiner 
bekannten Antwort auf die Angriffe, die Voltaire „gegen die 
Juden‘ schlechthin erhoben hatte ®°%, Pinto legt entscheidenden 
Wert darauf, daß die Spaniolen nicht mit den deutschen Juden 
„in einen Topf geworfen‘“ werden: sie seien eben zwei ver- 
schiedene Nationen. 
„Un Juif de Londres ressemble aussi peu ä un Juif de Con- 
stantinople que celui-ci a un Mandarin de la Chine. Un Juif 
Portugais de Bordeaux et un Juif Allemand de Metz paroissent 
deux Etres absolument differens.‘‘ „Mr. de Voltaire. ne peut 
ignorer la delicatesse scrupuleuse des Juifs Portugais et Espagnols 
Aa ne point se möeler, par marriage, alliance ou autrement avec 
les Juifs des autres Nations.“ 
Wenn 'ein sephardischer Jude, meint Pinto, in England oder 
Holland eine deutsche Jüdin heimführen würde, würde er von 
den Seinen aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden und 
würde nicht einmal auf ihrem Begräbnisplatz eine Ruhestätte 
finden. 
Die Gegensätzlichkeit kam in dem äußeren Verhalten nament- 
lich der sephardischen Juden, die sich als die Aristokratie inner-
	        
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