BARBAROUX
Barbaroux war damals”) erst 26 Jahre alt. Er war in Marseille geboren und entstammte
einer jener Schifferfamilien, die in ihren Sitten und Zügen etwas von der Kühnheit ihres
Lebens und der Erregung ihres Elementes bewahren. Die Vollkommenheit seines
Wuchses und die ideale Anmut seines Gesichtes erinnerten an die Formvollendung, die
die Antike in den Statuen des Antinous anbefete. Das Blut des asiatischen Griechenlandes,
dessen Kolonie Marseille ist, bekundete sich in dem reinen Profil des jungen Phokäers.
Er war mit geistigen und körperlichen Gaben gleichermaßen ausgestattet und übte sich
früh im Wort, dem Luxus des südlichen Menschen. Man machte ihn zum Advokaten, er
Cührte mit Talent einige öffentliche Rechtssachen. Aber die Kraft und Aufrichtigkeit seines
Geistes fühlte einen Widerwillen gegen diese oft gedungene Beredsamkeit, die die Begeiste-
rung nur heuchelt. Er ersehnte die Rechtssachen der Nation, bei denen man mit dem Worte
seine Seele und sein Blut hingibt. Die Revolution, mit der er geboren war, bot sie ihm.
Mit Ungeduld wartete er auf die Gelegenheit und auf die Stunde, ihr zu dienen. Er ver-
lebte seine Jugend in der Nähe des Dorfes Ollioules auf einem kleinen Familienbesitztum;
die Korkeichen, unter denen es versteckt lag, warfen auf die Kalksteinabhänge dieses Tales
ein wenig Schatten. Er besorgte hier den dürftigen Landbau und studierte in seinen Muße-
stunden Naturwissenschaften. Er unterhielt einen Briefwechsel mit zwei Schweizern, deren
naturwissenschaftliche Systeme damals die Welt beschäftigten, mit Saussure und Marat.
Aber die Wissenschaft genügte dieser Seele nicht. Sie strömte von Gefühl über und ergoß
sich in elegischen Dichtungen, glühend wie der Süden und unbegrenzt wie das Meer vor
seinem Blick. Man ahnt in ihnen die südliche Schwermut, deren Sehnsucht mehr Wollust
ist als Schwäche und den Liedern eines Mannes gleicht, der vor und nach der Arbeit in
der Sonne sitzt. So hatte Mirabeau sein Leben eröffnet. Die kräftigsten Geister beginnen
oft mit der Trauer, als wenn sie schon im Keim ihres Lebens ihr bitteres Geschick ahnten.
Wenn man die Verse dieses jungen Menschen liest, möchte man sagen: Seinen Augen däm-
mern durch erste Tränen seine Fehler, seine Buße und sein Schafott. — Nach der Wahl
Mirabeaus und der Aufregung, die ihr folgte, wurde Barbaroux zum Sekretär der Muni-
zipalität von Marseille ernannt. Bei den Unruhen in Arles ergriff er die Waffen und zog
an der Spitze der jungen Marseiller gegen die Beherrscher des Komitats. Sein kriegerisches
Gesicht seine Gebärde, seine Begeisterung, seine Stimme prädestinierten ihn zum Führer; er
riß die anderen fort. Als er nach Paris gesandt wurde, um der Nationalversammlung von den
Ereignissen im Süden Bericht zu erstatten, gaben die Girondisten, Vergniaud, Guadet (sie
*) Kurz nach der Entlassung des ersten girondistischen Ministeriums durch den König. D.H.
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